• Ade DDR-Mark! Hallo D-Mark! Kuriose Meldungen begleiten das Ankommen der D-Mark in der DDR: Am 28. Juni 1990 wird berichtet, dass das neue Geld in Dresden schon auf der Straße lag. Ein Sack frischgeprägter Münzen plumpste aus einem Geldtransporter. Erstaunte Bürger konnten nun beobachten, wie ein ganzer Konvoi zum Halten kam und bewaffnete Polizisten das Einsammeln absicherten. : © Historisches Archiv des OSV, Ausschnitt aus der Ausstellung Geldgeschichte(n), desingt von F. Fiedler, VISULABOR Berlin

D-Mark-Countdown im Spiegel der Presse

Blogserie, Teil 37

Jeden Tag erhalten unsere Kolleginnen und Kollegen eine Zusammenstellung von wichtigen Presseartikeln rund um die Sparkassenorganisation. Aktuelles aus dem Verbandsgebiet steht dabei im Mittelpunkt. So sind sie stets auf dem neuesten Stand, was Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angeht. Am Puls der Zeit zu bleiben, lautet die Devise. Unerlässlich ist dies gar, will man als Verband mit seinen Beschäftigten die Rolle als Vordenker und Ideengeber ausfüllen.

Was heute gilt, ist vor 30 Jahren nicht anders gewesen. Eine Presseschau informierte auch im Sparkassenverband der DDR regelmäßig über aktuelle, für das Sparkassenwesen bedeutende Entwicklungen.* Der größte Unterschied besteht – abgesehen von einer inzwischen veränderten Medienlandschaft – sicherlich in der Herstellung. Seinerzeit wurde noch früh morgens alles manuell durchgeschaut, Relevantes ausgeschnitten, geklebt, beschriftet, vervielfältigt und per Hauspost verteilt. Dank der Digitalisierung gibt es für diese Arbeiten nun Suchroutinen, spezielle Clipping-Software und elektronische Verteiler.

Eine Woche vor der Währungsunion dreht sich 1990 in der Presse natürlich alles um die D-Mark. Wie auch schon in den Monaten und Wochen zuvor.** Die Bürger der DDR werden jedoch nicht nur mit Informationen, sondern zunehmend mit ermahnenden Ratschlägen und gut gemeinten Tipps überschüttet. Traute man damals niemandem einen besonnenen Umgang mit der harten Währung zu? Dann müssten die Fakten aus tatsächlichem Verhalten, Umfrageergebnissen und Interviews mit DDR-Bürgern nach dem 1. Juli umso überraschender für einige Bedenkenträger gewesen sein.***

Doch schauen wir in die Berichterstattung zum D-Mark-Countdown einfach mal hinein:

Am Montag, dem 25. Juni 1990, berichtet die Presse von einem „großen Ansturm auf DDR-Sparkassen“. Das letzte Wochenende vor der Umstellung wurde noch einmal rege genutzt, um Konten entsprechend anzumelden und sich DM-Auszahlungsquittungen ausstellen zu lassen. Einen Tag später erfahren die Bürger ein Lob von der Deutschen Bundesbank. Denn die durchschnittliche gewünschte Barauszahlung liegt nach dem 1. Juli unter 400 DM und ist damit „niedriger als erwartet“. In einem Interview am selben Tag empfiehlt der Präsident des Unternehmerverbandes der DDR, Rudolf Stadermann, jedem Bürger „nicht in einen Konsumkaufrausch zu fallen, auch wenn der Nachholebedarf riesig ist.“ Lieber solle man sparsam sein, Preise vergleichen und auf Qualität achten.

Damit die Bargeldschecks auch tatsächlich eingelöst werden können, wird im Hintergrund ein  gigantischer logistischer Aufwand betrieben. Die Presse meldet beeindruckende Zahlen: 25 Milliarden D-Mark sind inzwischen aus der Bundesrepublik in der DDR eingetroffen. Allein die Banknoten weisen ein Gewicht von etwa 600 Tonnen auf. Die Münzen wiegen 400 Tonnen. Die Erstaufbewahrung erfolgt im ehemaligen Reichsbank-Tresor in Berlin. Er ist 1990 mit 8.000 Quadratmetern der größte in Europa. 30.000 Bankangestellte und Helfer stünden ab Sonntag 9:00 Uhr für die DM-Auszahlungen bereit. Etwa 10.000 Ausgabestellen würden eingeplant sein.****

Die Regierungen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland schalten kurz vor der Währungsunion großflächige Anzeigen. Gemeinsam informieren und mahnen sie: „Wir bekommen durch den Umtausch Geld in die Hand, mit dem man überall in der Welt bezahlen kann. Wenn in ganz Deutschland dieselbe Währung gilt, tragen wir auch gemeinsam Verantwortung, daß die D-Mark so stabil bleibt wie bisher. Das kommt nicht von selbst, sondern muß durch Leistung gedeckt sein […]“. Passend dazu teilt die „Berliner Allgemeine“ mit, was die D-Mark im Sommerurlaub 1990 wert ist. Ihr Fazit: Der erste Feriensommer mit offenen Grenzen könne gern in Griechenland, in der Türkei oder in Portugal verbracht werden. Aber auch Fernziele, wie die USA oder Kanada, sind attraktiv. Reisende haben mit der D-Mark in diesen Ländern in jedem Fall Kaufkraftvorteile. Einen wichtigen Hinweis gibt es noch für DDR-Bürger: Sie mögen doch in Europa das populärste Reisezahlungsmittel, den „eurocheque“, verwenden – also bequem ohne Bargeld unterwegs sein.

Auch der Ministerrat tagt in der Countdown-Woche zum letzten Mal vor dem „Start in die Union“.  Feinabstimmungen stehen auf dem Programm und Beratungen zu Regelungen des Steuerrechts, Zahlungsverkehrs, Zollgesetzes sowie der Außenwirtschaft. Auf einer anschließenden Pressekonferenz wird den Bürgern für ihr Engagement gedankt. Sie sollen mit „Hoffnung und Zuversicht“ in die nächsten Wochen und Monate blicken. Außerdem werden bisherige Subventionen für Energie, Wohnungen und Verkehr bis Jahresende weiter zugesichert. Den Betrieben werden Zulagen bei Investitionen in Aussicht gestellt, Neugründern eine zweijährige Steuerbefreiung.*****

Einen Tag vor der DM-Auszahlung, am 30. Juni 1990, warnt das Zentrale Kriminalamt die DDR-Bürger bereits vor der Gefahr gefälschter Banknoten und Münzen.  Man solle bei den Banknoten auf Erkennungsmerkmale achten, wie zum Beispiel an das durchscheinende Kopfwasserzeichen im druckfreien Bereich oder den fühlbaren Sicherheitsfaden. Münzen könnten geprüft werden. Echte klingen beim Fallen voll und rein im Gegensatz zu den eher dumpf tönenden Fälschungen.

„Bleiben Sie cool im heißen D-Mark-Sommer“, rät am selben Tag Gerd Warda in der „Berliner Zeitung“ und „Bedenken Sie: Hinter der Fassade des Überflusses geht es um Geld.“ Daher sollten die Bürger erst einmal Festgeld-Anlagen bevorzugen, abwarten, vergleichen und prüfen und bloß nicht „auf den ersten besten Vertreter“ hereinfallen, der vor der Tür stehen werde. Denn auch der wolle „nur eins: Ihr Geld!“

Was der D-Mark-Countdown außerdem mit sich bringt und vielen noch in Erinnerung sein dürfte: gähnend leere Regale. In Berlin wird sogar von einem „dramatischen Tiefpunkt“ der Versorgungslage berichtet. Immerhin kann man vor den Kaufhallen das Nötigste, wie Brot, Milch, Butter oder Kindernahrung, erstehen. Doch die Händler haben keine Wahl. Sie müssen sich auf den neuen Warenbestand und neue Preise ab dem 2. Juli 1990 einstellen. Ganz nebenbei soll auch noch eine Generalinventur gestemmt werden. So stehen stressige 12-Stunden-Tage am DM-Umstellungs-Wochenende nicht nur den Sparkassen bevor, sondern auch dem Handel.******

Fortsetzung am 29.06.2020

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*Aus Kapazitätsgründen stellte der Sparkassenverband der DDR die täglichen Presse-Information noch nicht selbst her, sondern bezog sie über den Verteiler der Pressestelle der Staatsbank der DDR. Später übernahm die Abteilung Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Volkswirtschaft, heute Team Kommunikation, diese Aufgabe im Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband. Seit 2001 gibt es den Pressespiegel des Verbandes als elektronische Variante. Ein BGH-Urteil schuf schließlich die urheberrechtlichen Voraussetzungen, um auch den Mitgliedssparkassen ab Januar 2003 den Pressespiegel nicht mehr in Papierform, sondern serviceorientiert auf elektronischem Wege und damit tagesaktuell zuzusenden. Quellen: Vorstandsinformation Nr. 129/2002, Akte HA-Günther 1/2004.

**So stand zum Beispiel der Sparkassenverband der DDR bereits am 7. Juni 1990 am Service-Telefon des ND für Fragen und Auskünfte rund ums neue Geld zur Verfügung. Leser interessierten sich für zukünftige Überweisungs- und Kontogebühren oder für Sparformen mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Viele Fragen betrafen die Modalitäten der Antragstellung zur DM-Umstellung oder auch die Auszahlungsquittungen, die maximal über 2.000 DM ausgestellt werden konnten und für den Zeitraum 1. bis 6. Juli 1990 gültig waren. Gewerbetreibende wollten wissen, ob Wechselgeld ab dem 2. Juli zur Verfügung stehen würde. Ausländische Bürger und ältere Menschen fragten an, wie sie den Umtausch bewerkstelligen sollen. Jedes Thema wurde geduldig und klärend beantwortet, sodass die Presseinformation am nächsten Tag schließlich als praktikable Handreichung genutzt werden konnte. Quellen: Neues Deutschland, Jg. 45, 131. Ausg., 08.06.1990, S. 2.

***Umfrageergebnisse einer Marktanalyse in ca. 1.000 DDR-Haushalten zeigten deutlich, dass DDR-Bürger nach dem 1. Juli 1990 umsichtig und überlegt mit der neuen D-Mark-Situation umgingen. Im Vordergrund standen Sparen, Einkommen und Arbeitsplatzsicherung, Verringerung der Umweltverschmutzung und die eigene Altersvorsorge. Erst danach rückten Konsumwünsche in den Fokus, wobei ein neues Auto und das Reisen zu den Favoriten zählten. Eine Untersuchung des Allensbacher Instituts für Demoskopie bestätigt, wie andere Umfragen zuvor, die Ausgabendisziplin der DDR-Bürger. 1.500 Interviews führten hier zu der Erkenntnis, dass die Ostdeutschen große Kaufwünsche einerseits und eine eiserne Disziplin im Umgang mit Geld andererseits miteinander verbinden. 73 Prozent gaben sogar an, „man sollte sich nichts kaufen, was nicht auch sofort bezahlt werden kann.“ Statistisch gesehen, gab es keinen Westdeutschen der 1990 laut Allensbacher dieser Meinung gewesen wäre. Quellen: Neues Deutschland, Jg. 45, 153. Ausg., 04.07.1990, S. 6.; Berliner Zeitung, 46. Jg., 229. Ausg., 01.10.1990, S. 3.

****Die Deutsche Bank lässt über die Presse am 30. Juni 1990 mitteilen, dass sie bereits ab Mitternacht ihre Geschäftsstelle am Alexanderplatz 6 für DM-Auszahlungen öffnet.

*****ND-Korrespondenten machten sich vor der Währungsumstellung auf den Weg, um direkt vor Ort in Erfahrung zu bringen, wie man sich „auf die harte D-Mark(t)-Zeit vorbereitet“ fühlt. Sie fragten bei Unternehmen in Mecklenburg, im Anhaltinischen und in Sachsen nach. Im Ergebnis hielten sie ein Stimmungsbild fest, was 1990 für das ganze Land zutrifft. Es ist ein Schwanken zwischen Sorge und Optimismus, zwischen Aufbruchstimmung und noch ausstehenden Aufträgen, zwischen Strukturveränderungen, dem Ausbau rentabler Produktionssortimente und einer motivierten Belegschaft einerseits und dem Fehlen gesetzlicher Rahmenbedingungen, mangelnder bzw. widersprüchlicher Informationen staatlicher Stellen, verbunden mit großer Unsicherheit andererseits. Quelle: Neues Deutschland, Jg. 45, 150. Ausg., 30.06.1990, S. 6.

******Quellen: Berliner Allgemeine, Berliner Zeitung, Die Welt, Junge Welt, Neues Deutschland, Neue Zeit, div. Ausgaben vom 25.06. bis 30.06.1990.