• Das Sparkassengesetz schuf den Rechtsrahmen für die Sparkassen, um am 1. Juli 1990 in die Marktwirtschaft zu starten.

Das Sparkassengesetz der DDR

Blogserie, Teil 38

Zum 1. Juli 1990 trat der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Um unter den veränderten Rahmenbedingungen wirken zu können, bekamen die Sparkassen der DDR eine neue Rechtsgrundlage, an deren Entstehung der DDR-Sparkassenverband großen Anteil hatte. Als Vorlage soll vor allem das Sparkassenrecht Nordrhein-Westfalens gedient haben.* Am 29. Juni beschloss die Volkskammer noch rechtzeitig das Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen, welches am 1. Juli gültig wurde. Es ersetzte das Statut der DDR-Sparkassen vom 23. Oktober 1975.

Im Sparkassengesetz finden sich wichtige Merkmale eines dezentralen kommunalen Sparkassenwesens. So wurde das Regionalprinzip verankert. Nur im Gebiet ihrer Träger sollten sich Sparkassen geschäftlich betätigen.** Auf die kommunale Verbundenheit legte man großen Wert. Die Sparkassen waren nicht mehr Einrichtungen der Räte der Stadt- und Landkreise und lediglich juristische Personen, sondern als Einrichtungen der Landkreise oder kreisfreien Städte oder der von ihnen gebildeten Zweckverbände rechtsfähige, gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie waren nicht mehr volkseigene Kreditinstitute. Die Sicherheit der Einlagen garantierte nicht mehr der sozialistische Staat. Für alle Verbindlichkeiten hafteten fortan die kommunalen Gewährträger. Sie hatten sicherzustellen, dass ihre Sparkassen ihre Aufgaben erfüllen konnten.*** Der öffentliche Auftrag wurde im DDR-Sparkassengesetz formuliert.

„Die Sparkassen haben die Aufgabe, den Sparsinn der Bevölkerung ihres Geschäftsgebiets zu fördern. Sie geben Gelegenheit, Ersparnisse und andere Gelder sicher und verzinslich anzulegen, dienen der örtlichen Kreditversorgung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes, der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise ihres Geschäftsgebiets und der öffentlichen Einrichtungen in ihrem Geschäftsgebiet […]“ ****

Während das Sparkassenstatut von 1975 die Tätigkeit aller Sparkassen im Sinne der Aufgabenverteilung im sozialistischen Bankensystem festschrieb, bot 1990 die im Vollzug des Sparkassengesetzes erlassene Anordnung über den Betrieb und die Geschäfte der ostdeutschen Sparkassen umfangreiche Möglichkeiten.***** Das Gesetz forderte, dass sie ihre Aufgaben nach kaufmännischen Grundsätzen erfüllten und jederzeit zahlungsbereit waren. Festgelegt wurde – man denke an die Liquiditätshaltung bei der DGZ – die Zusammenarbeit mit vom Sparkassenverband für zuständig erklärten Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Sparkassenorganisation. Die Sparkassenanordnung konkretisierte dies. Verfügbare Gelder hatten die Sparkassen „bei der vom Sparkassenverband für zuständig erklärten Girozentrale sowie bei der zuständigen Landeszentralbank anzulegen“. ******

Anstatt eines Direktors war nun ein Vorstand aus mehreren Personen für die Geschäftsführung zuständig. Das Vier-Augen-Prinzip musste gewährleistet sein. Zur Aufsicht und Kontrolle des Wirkens der Sparkasse war nicht mehr der Rat des Kreises, sondern der Verwaltungsrat des Instituts befugt. Die demokratisch gewählte Vertretung des Gewährträgers, etwa der Kreistag, bestimmte den Vorsitzenden ihrer Verwaltung, in dem Fall den Landrat, zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats einer Kreissparkasse und wählte die übrigen Mitglieder.******* Der Verwaltungsrat bestimmte fortan die Richtlinien der Geschäftspolitik. Er durfte auch die Gründung, Auflösung oder Fusionierung kommunaler Sparkassen beschließen.******** Ein drittes Organ der Sparkasse stellte der Kreditausschuss unter Vorsitz des Verwaltungsratsvorsitzenden dar. Dem Ausschuss hatte der Vorstand Darlehen ab einer bestimmten Größe zur Zustimmung vorzulegen.

Die erwähnte Sparkassenanordnung vom 26. Juli 1990 regelte die Zuständigkeiten des Kreditausschusses und des Vorstandes detaillierter. Gleichzeitig wurde eine Mustersatzung erlassen. Es folgte am 29. August als weitere Durchführungsbestimmung zum DDR-Sparkassengesetz die Anordnung über die Verfahrensregelung zur Überleitung der Sparkassen an die Gewährträger. Demnach sollten die gewählten Vertretungen der Gewährträger ihren Sparkassen bis spätestens 1. Oktober eine der Mustersatzung entsprechende Satzung geben. Der Verwaltungsrat war bis zum 1. November zu wählen und der Kreditausschuss bis zum 15. November zu besetzen. Die Stellen der Vorstände waren unverzüglich auszuschreiben, in Ost- und in Westdeutschland.********* Da gesetzmäßig auch Sparkassenbeschäftigte in den Verwaltungsrat gewählt wurden, erfolgte am 29. August eine Anordnung zur diesbezüglichen Wahlordnung.

Das mit dem bundesdeutschen Recht kompatible Sparkassengesetz galt gemäß Einigungsvertrag ab 3. Oktober 1990 zunächst als einheitliches Länderrecht weiter. Es wurde in den folgenden Jahren ersetzt. So bekamen die Mitgliedsländer des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes eigene Sparkassengesetze, der Freistaat Sachsen 1993, Sachsen-Anhalt sowie Mecklenburg-Vorpommern 1994 und Brandenburg 1996. Diese Gesetze waren fast inhaltsgleich. Auch neue Sparkassenverordnungen und Mustersatzungen wurden von den Bundesländern erlassen.

Fortsetzung am 01.07.2020

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* Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans-Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 124

** Vgl. Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, § 5, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567

*** Die Antstaltslast wurde später modifiziert. Die Gewährträgerhaftung entfiel. Lesen Sie dazu mehr in der Chronik des OSV.

**** Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, § 2 (1), in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567

***** So gab es zum Beispiel vielfältigere Möglichkeiten zur Anlage der Sparkassenbestände. Vgl. Anordnung über den Betrieb und die Geschäfte der Sparkassen (Sparkassenanordnung) vom 26. Juli 1990, § 10, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 56, 30.08.1990, S. 1276

****** Ebd., § 16, S. 1277

******* Sachkundige Bürger waren wählbar. Bis zu zwei Drittel konnten der politischen Vertretung des Gewährträgers angehören. Die Dienstkräfte der Sparkasse wählten ein Drittel der Verwaltungsratsmitglieder als ihre Vertretung.

******** Vgl. Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, § 6 (2), in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567

********* Vgl. Anordnung über die Verfahrensregelung zur Überleitung der Sparkassen an die Gewährträger vom 29. August 1990, § 3, in Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 60, 18.09.1990, S. 1475

  • Denkschrift des DSGV, die am 10. Mai 1990 beim Sparkassenverband der DDR einging; Bestand: Historisches Archiv des OSV

Gedanken zum kommunalen Sparkassenwesen

Blogserie, Teil 28

Am 6. Mai 1990 fanden die ersten Kommunalwahlen nach demokratischen Grundsätzen in der DDR statt. Im heutigen Gebiet des OSV wurden Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen und Kreistage gewählt. Eine neue Arbeitsgrundlage bekamen die Kommunalparlamente bald mit der Kommunalverfassung, welche das am 18. März erstmals demokratisch gewählte DDR-Parlament, die Volkskammer, beschloss. Die Wahlen und das Gesetz vom 17. Mai* markierten einen Neubeginn der kommunalen Selbstverwaltung in Ostdeutschland. So wurde auch die Voraussetzung für die Wiedereinführung der Gewährträgerhaftung der Kommunen für ihre Sparkassen geschaffen, die zum 1. Juli durch ein Sparkassengesetz festgelegt werden sollte. An der Erarbeitung des neuen Rechtsrahmens hatte der Sparkassenverband der DDR, unterstützt durch den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, maßgeblichen Anteil.**

In diesen Zusammenhang ist eine Denkschrift des DSGV einzuordnen, die den zuständigen DDR-Ministerien überreicht wurde.*** Das Werk thematisierte die Bedeutung einer starken kommunalen Selbstverwaltung und eines leistungsfähigen Sparkassenwesens in Ostdeutschland. Es begründete die Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Sparkassen, die im Rahmen der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Städte und Gemeinden für ihr Gebiet eine umfassende Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen gewährleisten sollten. Gerade sie stellten sicher, dass nicht nur die Bevölkerung in Wirtschaftszentren, sondern auch in ländlichen Regionen und strukturschwachen Gebieten ein Geldinstitut hatte. Für eine ausgewogene Wettbewerbsstruktur und zur Verhinderung einer, für Verbraucher und Wirtschaft nachteiligen, Dominanz von Banken brauchte es überall kommunale Sparkassen, die eben nicht auf absolute Gewinnmaximierung, sondern auch auf Gemeinnutz bedacht seien.

„Naturgemäß können auch nur einem entsprechendem Auftrag verpflichtete öffentliche Institute ein wettbewerbspolitisches Gegengewicht zu der Geschäftspolitik privater Geschäftsbanken und auch genossenschaftlicher Institute bilden. Es ist deshalb erforderlich, die Stellung der Sparkassen als aufgabenorientierte, öffentliche, kommunale Institute im Interesse der Verbraucher zu stärken. Die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in anderen westlichen Ländern zeigen, dass der Auftrag der Sicherstellung der finanziellen Infrastruktur der Kreditwirtschaft und eines intensiven Wettbewerbs am besten im Rahmen einer dezentralen Sparkassenorganisation mit kommunaler Bindung der Sparkassen und einer jeweils auf das Gebiet des Trägers beschränkten Geschäftstätigkeit der Sparkassen wahrgenommen werden kann. Dies ist die Voraussetzung für eine intensive Durchdringung des Geschäftsgebietes, eine gute Kenntnis des Marktes und eine ortsnahe Versorgung der Kunden mit Finanzdienstleistungen.“****

Aber nur starke kommunale Sparkassen konnten neben den anderen zwei Gruppen von Kreditinstituten bestehen und ihren öffentlichen Auftrag im Sinne der Gemeinwohlorientierung erfüllen. So wurden notwendige Maßnahmen formuliert, von denen hier drei angesprochen werden. 1. Der Aufbau einer ostdeutschen Sparkassenorganisation war wichtig, denn nur zusammen und als Gruppe konnte man der Konkurrenz überregionaler und internationaler Banken begegnen. Rasch musste eine Verbundsystem entstehen. Man brauchte etwa eine Zentralbank. 2. Kurzfristig war ein rentables Wirtschaften notwendig. Um die Einlagen der Kundschaft nach der Währungsunion marktgerecht verzinsen zu können, mussten logischerweise auch die Kredite marktgerecht verzinst werden. Gewinne waren notwendig, um die steigenden Kosten im Personal- und Sachbereich finanzieren zu können. Das Eigenkapital war knapp. Es bestand dringender Investitionsbedarf bei der Betriebs- und Geschäftsausstattung. 3. Als letzte und mittelfristig erforderliche Maßnahme wurde die Fusionierung angesprochen, da viele DDR-Sparkassen schlichtweg zu klein waren, um betriebswirtschaftlich effizient arbeiten zu können. In den folgenden Jahren sollte in Zusammenwirkung von Sparkassen und Kommunen daran gearbeitet werden, „die Institute zu leistungs- und wettbewerbsfähigen Einheiten zusammenzufassen“.***** Dabei war darauf zu achten, die Vorteile der Orts- und Kundennähe nicht aufzugeben.

Fortsetzung am 16.05.2020

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* Vgl. Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17.05.1990, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 28, 25.05.1990, S. 255 ff.; Bestand: Historisches Archiv des OSV

** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 124

*** Vgl. Niederschrift über die Verbandsvorsteherkonferenz des DSGV am 28./29.05.1990 in Berlin, S. 6; Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum des DSGV, Bonn
Das Exemplar für den Sparkassenverband der DDR ging am 10. Mai 1990 per Fax ein und wurde dann an Sparkassen weitergeleitet.

**** Deutscher Sparkassen- und Giroverband: Denkschrift – Sicherung einer leistungsfähigen Sparkassenorganisation in der DDR, 10.05.1990, S. 7; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

***** ebd., S. 14