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Zwangsnamen für jüdische Deutsche

Die Zwangsnamen Israel und Sara sind Ihnen sicher ein Begriff? Vor genau 85 Jahren erließen das Reichsinnen- und das Reichsjustizministerium eine Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938. Demnach sollten jüdische Deutsche nur solche Vornamen erhalten, die der Innenminister erlaubte. Dazu diente eine Liste mit willkürlich zusammengetragenen, fast ausschließlich in Deutschland unüblichen Namen.

Wenn Juden nicht einen solchen, angeblich typischen, Namen hatten, mussten sie ab dem 1. Januar 1939 einen zweiten Vornamen führen, die Männer Israel und die Frauen Sara. Diese diskrimierende Regelung sollte Juden öffentlich kenntlich machen. Wenige Jahre später folgten auf Zwangsnamen sogenannte Judensterne. Wer als Jude zu gelten hatte, regelte eine Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935. Ob die Verfolgten sich überhaupt als solche verstanden oder der Religionsgemeinschaft angehörten, war schlichtweg egal. Die NS-Judenpolitik war rassistisch motiviert.

Die Sparkassen waren damals gleichgeschaltet und in die Maßnahmen zur Ausplünderung der jüdischen Deutschen eingebunden. Schon mehrfach ist dies im Blog thematisiert worden. Die gesetzlichen Anweisungen reichten der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und die Regionalverbände an die kommunalen Geldinstitute weiter. Um der Kundschaft die Verfügung über ihren Besitz zu entziehen und diesen schließlich an den Staat abzuführen, war es nützlich, diesen vorher zu identifizieren. Konten und Depots wurden mittels der neuen Namen markiert, wie oben abgebildetem Rundschreiben zu entnehmen ist.

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Vor 90 Jahren: Das „Berufsbeamtengesetz“

Am 7. April 1933 erließ die Reichsregierung unter Reichskanzler Adolf Hitler das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Der Titel ist irreführend. Es war nicht zur Wiederherstellung, sondern zur Verfolgung gedacht. Es handelte sich um das erste Gesetz des NS-Regimes, das ein Sonderrecht gegen Menschen schuf, die aus rassistischen und politischen Gründen unerwünscht waren. Das sogenannte Berufsbeamtengesetz betraf letztlich auch die Sparkassenbeamten, außerdem die bei den kommunalen Geldinstituten beschäftigten Arbeiter und Angestellten. Wahlbeamte der Gemeinden, die zum Beispiel als Bürgermeister Vorstandsvorsitzende von Stadtsparkassen waren, konnten ebenfalls Probleme bekommen. So wurden die Sparkassen personell gleichgeschaltet.

Entfernt werden konnten diejenigen Beamten, „die nicht arischer Abstammung sind“ (§ 3), wenn sie ab dem 1. August 1914 verbeamtet worden waren und nicht im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hatten beziehungsweise Vater oder Kind im Krieg verloren hatten. Des Weiteren betraf das Gesetz Beamte, „die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit für den nationalen Staat eintreten“ (§ 4). Diese dehnbare Formulierung ermöglichte willkürliche Entlassungen von politischen Gegnern der Nationalsozialisten. Als ungeignet galten Personen, die seit der Novemberrevolution 1918 „ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung“ (§ 2) Beamte geworden waren.

Auf das Gesetz folgten zahlreiche Regelungen zur Durchführung sowie Ergänzungen und Änderungen. Hier soll lediglich auf die erste zeitnahe Durchführungsverordnung vom 11. April 1933 eingegangen werden. Hinsichtlicht § 2 wurde festgelegt, dass Mitglieder der KPD sowie kommunistischer Ersatz- oder Hilfsorganisationen prinzipiell ungeeignet waren. Zu § 4 stand nun fest, dass die gesamte Betätigung in der Vergangenheit, insbesondere seit dem 9. November 1918, beurteilt werden sollte. Alle Beamten wurden verpflichtet, der obersten Reichs- oder Landesbehörde auf deren Verlangen hin Auskunft zu geben, welcher Partei oder politischen Organisation sie bisher angehörten. Beim § 3 wurde definiert, wer als „Nichtarier“ galt. Man forderte einen Nachweis der „arischen“ Abstammung, etwa mittels Geburts- und Heiratsurkunden.

„Als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder ein Großelterneil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil der jüdischen Religion angehört hat. […] Ist die arische Abstammung zweifelhaft, so ist ein Gutachten des beim Reichsministerium des Innern bestellten Sachverständigen für Rasseforschung einzuholen.“

  • Die Verordnung wurde am am 14. November 1938 im Reichsgesetzblatt abgedruckt. : © Historisches Archiv des OSV

Die „Judenvermögensabgabe“ 1938

Verschiedene Mittel nutzten die Nationalsozialisten zur Judenverfolgung, zum Beispiel die Steuer- und Devisengesetzgebung. So wurde etwa die noch aus der Weimarer Republik stammende Reichsfluchtsteuer missbraucht, um jüdische Emigranten um einen Teil ihrer Habe zu bringen. Mit der Ausbürgerung nach dem Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 ging wiederum das ganze Vermögen an den Staat. Es kam zu finanziell motivierten Massenausbürgerungen von Geflüchteten. Anlass gaben unter anderem Verstöße gegen das NS-Steuerrecht. Eine weitere Ungerechtigkeit stellte die sogenannte „Sühneleistung“ für einen Mord dar, welche Juden mit deutscher Staatsangehörigkeit und staatenlose, also auch bereits emigrierte, zu zahlen hatten.

Nach dem Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris, das Herschel Grynszpan wegen der Deportation seiner Eltern im Rahmen der „Polenaktion“ verübt hatte und welches wiederum dem NS-Regime als Anlass für die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 diente, erhob Hermann Göring am 12. November die willkürliche Sonderabgabe von einer Milliarde Reichsmark. Zur Durchführung bestimmte der Finanzminister Schwerin von Krosigk am 21. November, dass davon alle Jüdinnen und Juden betroffen waren, die gemäß einer Verordnung vom 26. April des Jahres bereits ihr Vermögen über 5.000 Reichsmark angemeldet hatten. Man wusste also Bescheid, wem man diese Zwangsabgabe von 20 Prozent auferlegen konnte, um so das Defizit im Reichshaushalt zu verringern. Die Abgabe war in vier Raten vom 15. Dezember 1938 bis zum 15. August 1939 an die Finanzämter zu entrichten.

Die „gleichgeschalteten“ Sparkassen waren in die Maßnahmen gegen jüdischen Besitz eingebunden. Per Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 gab es einen Depotzwang für Wertpapiere jüdischer Deutscher. Sie mussten diese schnellstens in ein Depot einer Devisenbank einlegen und kennzeichnen. Sparkassen ohne Devisenbankeigenschaft hatten die in ihrer Verwahrung befindlichen jüdischen Werte an die zuständige Girozentrale in Drittverwahrung zu geben. Der Staat genehmigte die Zahlung der Vermögensabgabe am 15. Dezember mit Wertpapieren. Sie waren dazu von den Sparkassen in ein Depot bei der Preußischen Seehandlung (Staatsbank), welche als Treuhänderin des Reichsfinanzministers fungierte, der regionalen Girozentrale oder der Deutschen Girozentrale umzulegen. Die zuständigen Finanzämter mussten darüber informiert werden. Die Börsenumsatzsteuer wurde von den Finanzbehörden mit den Abgabepflichtigen verrechnet. Wegen sonstiger Kosten hatten sich die Geldinstitute an die betreffenden Juden zu halten. Festgelegt wurde ein Provision von 0,5 Prozent, mindestens aber eine Reichsmark.

  • Auch dieser Runderlass, veröffentlicht am 24. Dezember 1941 im Ministerialblatt des Reichswirtschaftsministeriums, thematisiert die Verordnung.

Die elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz und ihre Folgen

Mit der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 schufen die Nationalsozialisten die rechtliche Legitimation, um den deutschen Juden im Zuge der Verschleppung in den Osten die deutsche Staatsangehörigkeit abzuerkennen und ihr Vermögen zu rauben. Auch bereits emigrierte Deutsche jüdischer Herkunft beziehungsweise jüdischen Glaubens waren betroffen, sofern sie noch keine neue Staatsangehörigkeit hatten. Ihr Besitz verfiel ebenfalls pauschal dem Deutschen Reich.

Mit der „Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland“ wurde man ausgebürgert. Die Zielorte der Deportationen standen fest. Die von Deutschland besetzten oder unter deutscher Verwaltung stehenden Gebiete, etwa das „Generalgouvernement“ (Polen), galten als Ausland. Das Vermögen der Opfer sollte laut der Verordnung „zur Förderung aller mit der Lösung der Judenfrage in Zusammenhang stehenden Zwecke dienen“. Die Fahrtkosten musste die jüdische Bevölkerung übrigens selbst bezahlen. Eine Anweisung des Reichssicherheitshauptamtes vom 3. Dezember 1941 sah eine „Spende“ vor. Das Vermögen war da bereits bei der Gestapo erfasst und einem strengen Verfügungsverbot unterworfen.

Dieses betraf auch Konten und Wertpapierdepots bei kommunalen Geldinstituten. Nur in Ausnahmefällen sollte der Zugriff möglich sein, erklärte etwa der Sächsische Sparkassen- und Giroverband in einem Rundschreiben vom 5. Januar 1942. Das Verfügungsverbot der Geheimen Staatspolizei bekamen alle Mitgliedsinstitute zugeschickt. Hinweise gab es auch hinsichtlich des Vermögensverfalls. So sollten jüdische Kundinnen und Kunden den Beweis erbringen, dass oben angesprochene Verordnung für sie nicht galt. Bis dahin blieben Konten und Depots gesperrt.

Auch wenn nur „ein gewisser Verdacht“ bestand, dass es sich um jüdischen Besitz handelte, erfolgte eine vorläufige Sperre. Dabei wurde empfohlen, „vorsorglich den Kreis der zu sperrenden Konten und Depots möglichst weit zu ziehen“. Außerdem sollte davon abgesehen werden, die betreffenden Personen vom Vermögensverfall zu benachrichtigen. Dazu hatte zuvor bereits der Deutsche Sparkassen- und Giroverband in einem Rundschreiben am 8. Dezember 1941 geraten. Die Veröffentlichung der Verordnung im Reichsgesetzblatt sei Information genug für Ausgewanderte.

Die Abschrift eines Rundschreibens der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe gab der sächsische Verband am 8. Juni 1942 an seine Mitglieder weiter. Demnach sollten über die in den Osten „abgeschobenen“ Juden Abrufschreiben der Oberfinanzpräsidenten, denen die Verwaltung und Verwertung des Besitzes zustand, informieren. Die Vermögenswerte mussten dann abgeliefert werden. Weil die Identifizierung Emigrierter Probleme bereiten konnte, wurde geraten, in zweifelhaften Fällen den Chef der Sicherheitspolizei und des SD die Feststellung treffen zu lassen, denn:

„Hat ein Kontoinhaber einen jüdischen Namen, so spricht zwar die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er Jude ist, trotzdem kann er Nichtjude oder Mischling sein. Andererseits steht bei einem Kontoinhaber, der keinen jüdisch klingenden Namen hat, nicht unbedingt fest, ob er Nichtjude ist.“

Anzumerken ist, dass solche Hinweise nur die sächsischen Spar- und Girokassen erhielten, die ihren Verband über vermeintliche jüdische Kundinnen und Kunden informierten. Dazu gab es am 14. Februar 1942 eine Umfrage. Ein weiteres Schreiben folgte am 25. Juni 1942. Auch Fehlanzeigen wurden gefordert. In ihrem Interesse, um sich vor etwaigen Schwierigkeiten zu schützen, sollten die Kassen gewissenhaft prüfen und Meldung zu noch bestehenden Konten machen. Dabei sei egal, „ob sich die jüdischen Kontoinhaber noch im Inland oder im Ausland befinden und ob sie ausgewandert oder abgeschoben oder verstorben sind“.

  • Nicht nur über die Ausbürgerung von Dr. Albert Sommer informierte die sächsischen Spar- und Girokassen dieses Verbandsrundschreiben. Das Schreiben liegt im Historischen Archiv der Erzgebirgssparkasse. Im Historischen Archiv des OSV sind die Rundschreiben der Jahre 1939 bis 1944 als Digitalisate vorhanden.

Der Fall Dr. Albert Sommer

Im Krisenjahr 1931 führte die Regierung Brüning die Reichsfluchtsteuer ein, um der Kapitalflucht ins Ausland entgegenzuwirken. Ein Viertel des Vermögens sollte abgetreten werden. Dies sollte abschreckend wirken. Um die Zahlung zu erzwingen, konnten die Finanzämter sogar Steckbriefe zur Ergreifung erlassen und das gesamte inländische Vermögen beschlagnahmen. Über diese Fälle konnten sich die Sparkassen unter anderem in der Deutschen Sparkassenzeitung informieren. Sie waren verpflichtet, das zuständige Finanzamt, das Vermögensbeschlagnahmen verfügte, über Forderungen und Ansprüche des Betreffenden zu informieren. Zahlungen an ihn durften nicht erfolgen.

Das NS-Regime nutzte die rechtlichen Regelungen aus der Weimarer Zeit, um zur Auswanderung gezwungene jüdische Bürgerinnen und Bürger zu berauben. Dies sollte dem Staat erhebliche Einnahmen verschaffen. Allein 841.569 Reichsmark Reichsfluchtsteuer plus Zinsen wollte man zum Beispiel von Dr. Albert Sommer erpressen. Er war der erste Sachse, auf dessen Fall 1933 in der Sparkassenzeitung hingewiesen wurde. Der in Dresden promovierte Chemiker hatte die Kaltasphalttechnik in Europa eingeführt und war Aufsichtsratsvorsitzender beziehungsweise Aufsichtsratsmitglied zahlreicher Bau- und Asphaltfirmen. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten hatte er Deutschland verlassen.

Da die Finanzbehörden ein erhebliches Interesse am Besitz des jüdischen Firmeninhabers hatten, versuchten sie ihn schließlich 1938 durch die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit gänzlich zu enteignen. Grundlage war ein 1933 erschaffenes Gesetz, das bald nicht mehr vorrangig gegen politische Emigranten, sondern zur finanziellen Judenverfolgung genutzt wurde. Es erfolgte eine Massenausbürgerung, die auf das Vermögen der Geflohenen abzielte. Juden, die zum Beispiel gegen Steuer- und Devisenrecht verstießen, um Vermögen ins Ausland zu retten, sollten konsequent ausgebürgert werden. Auch über Devisenvergehen informierte übrigens die Sparkassenzeitung.

Wie alle anderen Kreditinstitute, so hatten auch die kommunalen nachzuprüfen, ob sie Vermögen ausgebürgerter Menschen verwalteten. Dazu gab es in Sachsen von 1937 bis 1939 Verbandsrundschreiben mit Namenslisten. Ab 1939 wurden die umfangreichen Namensverzeichnise der Gestapo den Mitgliedsinstituten per Umlauf zur Verfügung gestellt. Konten mussten sofort gesperrt und gemeldet werden. Für die Durchführung der Beschlagnahme war dann die Ausbürgerungsabteilung beim Finanzamt Moabit-West in Berlin zuständig. Deren Unterlagen befinden sich heute im Berliner Landesarchiv. Auch eine Akte zum Fall des Dresdeners Dr. Albert Sommer ist erhalten und wurde von mir eingesehen.

Er hatte das Glück, in der Schweiz Zuflucht gefunden zu haben. Dort lebte er bis 1968. Die noch im Deutschen Reich wohnhaften Juden, die während des Zweiten Weltkriegs in die Todeslager im Osten deportiert wurden, verloren in dem Augenblick, in dem sie die Landesgrenze überquerten, automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Zugleich waren sie kollektiv enteignet. Auch dafür hatten die Nationalsozialisten rechtliche Voraussetzungen geschaffen, durch eine Verordnung zum Reichsbürgergesetz 1941. Wie zum Beispiel die sächsischen Spar- und Girokassen infolge mit dem jüdischen Besitz zu verfahren hatten, wird in einem anderen Blogbeitrag beleuchtet.