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Vor 90 Jahren: Das „Berufsbeamtengesetz“

Am 7. April 1933 erließ die Reichsregierung unter Reichskanzler Adolf Hitler das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Der Titel ist irreführend. Es war nicht zur Wiederherstellung, sondern zur Verfolgung gedacht. Es handelte sich um das erste Gesetz des NS-Regimes, das ein Sonderrecht gegen Menschen schuf, die aus rassistischen und politischen Gründen unerwünscht waren. Das sogenannte Berufsbeamtengesetz betraf letztlich auch die Sparkassenbeamten, außerdem die bei den kommunalen Geldinstituten beschäftigten Arbeiter und Angestellten. Wahlbeamte der Gemeinden, die zum Beispiel als Bürgermeister Vorstandsvorsitzende von Stadtsparkassen waren, konnten ebenfalls Probleme bekommen. So wurden die Sparkassen personell gleichgeschaltet.

Entfernt werden konnten diejenigen Beamten, „die nicht arischer Abstammung sind“ (§ 3), wenn sie ab dem 1. August 1914 verbeamtet worden waren und nicht im Ersten Weltkrieg an der Front gekämpft hatten beziehungsweise Vater oder Kind im Krieg verloren hatten. Des Weiteren betraf das Gesetz Beamte, „die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit für den nationalen Staat eintreten“ (§ 4). Diese dehnbare Formulierung ermöglichte willkürliche Entlassungen von politischen Gegnern der Nationalsozialisten. Als ungeignet galten Personen, die seit der Novemberrevolution 1918 „ohne die für ihre Laufbahn vorgeschriebene oder übliche Vorbildung oder sonstige Eignung“ (§ 2) Beamte geworden waren.

Auf das Gesetz folgten zahlreiche Regelungen zur Durchführung sowie Ergänzungen und Änderungen. Hier soll lediglich auf die erste zeitnahe Durchführungsverordnung vom 11. April 1933 eingegangen werden. Hinsichtlicht § 2 wurde festgelegt, dass Mitglieder der KPD sowie kommunistischer Ersatz- oder Hilfsorganisationen prinzipiell ungeeignet waren. Zu § 4 stand nun fest, dass die gesamte Betätigung in der Vergangenheit, insbesondere seit dem 9. November 1918, beurteilt werden sollte. Alle Beamten wurden verpflichtet, der obersten Reichs- oder Landesbehörde auf deren Verlangen hin Auskunft zu geben, welcher Partei oder politischen Organisation sie bisher angehörten. Beim § 3 wurde definiert, wer als „Nichtarier“ galt. Man forderte einen Nachweis der „arischen“ Abstammung, etwa mittels Geburts- und Heiratsurkunden.

„Als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder ein Großelterneil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Großelternteil der jüdischen Religion angehört hat. […] Ist die arische Abstammung zweifelhaft, so ist ein Gutachten des beim Reichsministerium des Innern bestellten Sachverständigen für Rasseforschung einzuholen.“

  • Werbemotiv zur Deutschen Sparwoche 1942 auf einem Glasdia : © Historisches Archiv des OSV

  • Stempel in einem Sparbuch der Stadtsparkasse Geithain. Bei den sächsischen Sparkassen gab es in der Woche 380.033 Einzahlungen über insgesamt 44,5 Millionen Reichsmark. : © Historisches Archiv des OSV

Die Deutsche Sparwoche 1942

Bereits im ersten Jahr der NS-Herrschaft in Deutschland wurde der Weltspartag in Nationaler Spartag umbenannt. Nach dem „Anschluss“ Österreichs und der Besetzung des Sudetengebietzes 1938 wurde im „Großdeutschen Reich“ der Deutsche Spartag begangen. Eine ganze Deutsche Sparwoche fand erstmals vor 80 Jahren statt. Sie dauerte vom 26. bis zum 31. Oktober 1942. In der Deutschen Sparkassen-Zeitung riefen der Präsident und der stellvertretende Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes zu verstärkten Sparanstrengungen in der Kriegszeit auf. Sparen sei wichtig für die Lohn- und Preisstabilität in der Kriegswirtschaft. Von der „Front der Sparer“ war die Rede. Durch Sparen bekunde der „Volksgenosse“ sein Vertrauen auf den deutschen „Endsieg“.

Eine ganze Sparwoche wurde eingeführt, damit der Einzahler nicht wie am Spartag Schlange stehen musste. Für das Personal brachte die Arbeitsverteilung eine Entlastung. Außerdem konnten an verschiedenen Tagen der Woche gezielt verschiedene Kundengruppen angesprochen werden. Wie schon in den Vorjahren, gab es ein zentrales Werbemotiv, diesmal mit Reichsadler und Eichenlaub. (Bild 1) Die Sparkassen unternahmen enorme Werbeanstrengungen und erzielten eine größere Breitenwirkung. Während der Deutschen Sparwoche erfolgten im Reich 4,3 Millionen Einzahlungen über zusammen 675 Millionen Reichsmark. Die Einlagen wurden mit einem Sonderstempel quittiert. (Bild 2) 300.000 neue Sparer gewannen die Sparkassen. Durch die sechs Spartage 1942 konnten die Ergebnisse des Spartags 1941 allerdings nicht versechsfacht werden.

  • Diese Postkarte zum Ausmalen verschenkte die Sparkasse der Stadt Dresden an Kinder. (Verlag Cyliax Druck Wien; Bestand: Historisches Archiv des OSV)

Stromsparen mit der Sparkasse

„Für jeden gilt heut‘ die Parole
Spar Licht und Gas, spar Strom und Kohle
Gar manche Mark gewinnst Du so,
Bring‘ sie geschwind aufs Sparkonto“

Mit diesen Reimen warb die Städtische Sparkasse Dresden während des Zweiten Weltkriegs für das Energiesparen. Sie finden sich auf der Rückseite der abgebildeten Postkarte. Es gab auch Hinweise zum Gebrauch der auf der Karte mitgelieferten Farben Rot, Gelb, Braun und Blau. Sie waren mit einem feuchten Pinsel abzunehmen. Grün musste man durch eine Mischung aus Gelb und Blau sowie Orange aus Rot und Gelb herstellen. Das fertige Bild konnte abgetrennt und versendet werden.

Hergestellt wurde die Ausmalkarte von Cyliax Druck in Wien. Dies war eine vom Grafiker Walter Cyliax 1938 „arisierte“ Firma der Brüder Rosenbaum. Für seine Colorix-Karten hatte Cyliax sogar ein Deutsches Reichspatent. Es existierten auch andere Motive, die Kindern das Sparen lehrten. So wurde zum Beispiel darauf hingewiesen, beim Zubettgehen das Licht auszuschalten. Die Sparkassen konnten die Ausmalpostkarten mit ihrer Institutsbezeichnung bestellen. So sind im Historischen Archiv des OSV auch Exemplare der Teltower Kreissparkasse vorhanden.

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Eine Heckmark zu Ostern

Anfang 1934 führte die Stadtsparkasse Zwickau in den örtlichen Volksschulen das Schulsparen ein. So wurde auch Werner aus der Dittesschule im Ortsteil Pölbitz Sparer. Ihm gehörte dieses Schulsparbuch, das er vom Frühjahr 1934 bis zum Frühjahr 1939 nutzte. 1935 wurde seine Schule nach dem bayerischen Gauleiter und Kultusminister Hans Schemm benannt. Der Schüler sparte nicht nur eifrig, sondern ließ sich auch Geld auszahlen. Letztlich verblieb nur die sogenannte Heckmark als Guthaben auf dem Sparbuch, denn diese war bis Ostern 1941 gesperrt. Davon zeugt ein gestempelter Vermerk der Stadtsparkasse. Vor Ostern 1934 hat Werner diese eine Reichsmark von der Sparkasse geschenkt bekommen. Sie wurde auch als Heckpfennig bezeichnet, wie Abbildung 2 zeigt. Im Volksglauben war eine Heckmünze ein Geldstück, das sich von allein vermehrte. Deswegen durfte man diese Zaubermünze nicht ausgeben.

Das Geschenk der Sparkasse war eine kleine Investition, die sich später auszahlen konnte. Um Kunden zu gewinnen, bedachte sie damals übrigens auch Neugeborene, mit drei Reichsmark in Geschenksparbüchern. Das Schulsparen als eine Form des Kleinsparens war aufwendig. Die Schulen und die Lehrkräfte mussten für ihre Mitwirkung geworben werden. In der NS-Zeit galt es, der Jugend den Spargedanken als nationale Pflicht einzuprägen. So erfolgten staatliche Vorgaben auch zum Schulsparen. Vom sächsischen Reichsstatthalter Martin Mutschman stammt etwa die Parole „Jeder Schulpflichtige ein Sparkassenbuch, jede Schule eine Schulsparkasse“. Der Leiter des Dresdener Bildungsministeriums Arthur Göpfert verpflichtete daraufhin 1938 alle Schulleitungen zur Einrichtung und Förderung von Schulsparkassen.

  • Die Verordnung wurde am am 14. November 1938 im Reichsgesetzblatt abgedruckt. : © Historisches Archiv des OSV

Die „Judenvermögensabgabe“ 1938

Verschiedene Mittel nutzten die Nationalsozialisten zur Judenverfolgung, zum Beispiel die Steuer- und Devisengesetzgebung. So wurde etwa die noch aus der Weimarer Republik stammende Reichsfluchtsteuer missbraucht, um jüdische Emigranten um einen Teil ihrer Habe zu bringen. Mit der Ausbürgerung nach dem Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 ging wiederum das ganze Vermögen an den Staat. Es kam zu finanziell motivierten Massenausbürgerungen von Geflüchteten. Anlass gaben unter anderem Verstöße gegen das NS-Steuerrecht. Eine weitere Ungerechtigkeit stellte die sogenannte „Sühneleistung“ für einen Mord dar, welche Juden mit deutscher Staatsangehörigkeit und staatenlose, also auch bereits emigrierte, zu zahlen hatten.

Nach dem Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris, das Herschel Grynszpan wegen der Deportation seiner Eltern im Rahmen der „Polenaktion“ verübt hatte und welches wiederum dem NS-Regime als Anlass für die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 diente, erhob Hermann Göring am 12. November die willkürliche Sonderabgabe von einer Milliarde Reichsmark. Zur Durchführung bestimmte der Finanzminister Schwerin von Krosigk am 21. November, dass davon alle Jüdinnen und Juden betroffen waren, die gemäß einer Verordnung vom 26. April des Jahres bereits ihr Vermögen über 5.000 Reichsmark angemeldet hatten. Man wusste also Bescheid, wem man diese Zwangsabgabe von 20 Prozent auferlegen konnte, um so das Defizit im Reichshaushalt zu verringern. Die Abgabe war in vier Raten vom 15. Dezember 1938 bis zum 15. August 1939 an die Finanzämter zu entrichten.

Die „gleichgeschalteten“ Sparkassen waren in die Maßnahmen gegen jüdischen Besitz eingebunden. Per Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 gab es einen Depotzwang für Wertpapiere jüdischer Deutscher. Sie mussten diese schnellstens in ein Depot einer Devisenbank einlegen und kennzeichnen. Sparkassen ohne Devisenbankeigenschaft hatten die in ihrer Verwahrung befindlichen jüdischen Werte an die zuständige Girozentrale in Drittverwahrung zu geben. Der Staat genehmigte die Zahlung der Vermögensabgabe am 15. Dezember mit Wertpapieren. Sie waren dazu von den Sparkassen in ein Depot bei der Preußischen Seehandlung (Staatsbank), welche als Treuhänderin des Reichsfinanzministers fungierte, der regionalen Girozentrale oder der Deutschen Girozentrale umzulegen. Die zuständigen Finanzämter mussten darüber informiert werden. Die Börsenumsatzsteuer wurde von den Finanzbehörden mit den Abgabepflichtigen verrechnet. Wegen sonstiger Kosten hatten sich die Geldinstitute an die betreffenden Juden zu halten. Festgelegt wurde ein Provision von 0,5 Prozent, mindestens aber eine Reichsmark.

  • 300 Reichsmark gab es für einen Chemnitzer Sparkassenkunden vor 75 Jahren. : © Historisches Archiv des OSV

Der Befehl 74 der Sowjetischen Militäradministration

Stempel finden sich viele in alten Sparkassenbüchern. Es sind Zeugnisse von Währungsumstellungen, der Aufwertung der Spargelder nach der Inflation 1923 und der Anmeldung von Altguthaben in der DDR, von Spartagen und Sparwochen im Dritten Reich, von verschiedensten Zinsen, Sperrvermerken, Fusionen und manchem mehr. Oft ist auch eine Stempelung zu entdecken, die auf den Befehl 74 der Sowjetischen Militäradministration (SMA/SMAD) hinweist. Aufgrund dieses Befehls wurde Geld ausgezahlt. Man konnte sich einen freigegebenen Betrag aber auch auf ein verfügbares Konto übertragen lassen. So tat es zum Beispiel ein Kunde der Stadtsparkasse Chemnitz vor genau 75 Jahren.

Was hat es mit dem Befehl auf sich? Die sowjetischen Besatzer hatten sämtliche Guthaben zum Stand 8. Mai 1945 eingefroren. Begründet wurde das mit einem Bankrott der Sparkassen, der durch das NS-Regime verursacht worden sei. Zum 15. August 1945 wurden die Sparkassen in Sachsen geschlossen und dann ohne Rechtsnachfolge neu gegründet. Am 9. März 1946 befahlen die Sowjets schließlich, dass die Kleinsparer der geschlossenen Institute eine Unterstützung erhalten sollten. Für die neuen Sparkassen ergab sich durch die Aktion die Möglichkeit, wieder mit ihren alten Kunden in direkten Kontakt zu treten und sie womöglich zu einem Neuanfang beim Sparen zu bewegen.

Wer nicht mehr als 3.000 Reichsmark (RM) Altguthaben hatte, bekam davon 300 ausgezahlt. Arbeitsunfähige erhielten beim Fehlen anderer Existenzmittel 400 RM, auch wenn sie mehr als 3.000 RM Guthaben hatten. Die Auszahlung der genehmigten Beträge sollte zu je 100 RM monatlich erfolgen. Besonders notleidenden Sparern konnte bei Vorliegen einer Bescheinigung der Abteilung für Sozialfürsorge die gesamte Summe auf einmal gegeben werden. Wenn man die 400 RM wollte, musste das Wohlfahrtsamt die Arbeitsunfähigkeit, die Mittellosigkeit und das Fehlen arbeitsfähiger Personen in der Familie nachweisen. Prinzipiell durften 400 RM gewährt werden: Männern über 65 und Frauen über 60 Jahre, Menschen mit mehr als 20 % Erwerbsbeschränkung sowie Frauen mit Kindern unter 7 Jahre, wenn sich in der Familie keine arbeitsfähige Person befand. Kriegsverbrecher und aktive Mitglieder der NSDAP bekamen nichts.

Ebenfalls keine Unterstützung erhielt ein aus der Gefangenschaft in Sibirien heimgekehrter Soldat, der sich in schlechter gesundheitlicher Verfassung befand. Ausgebombt war er, mittellos. Seine Frau war nicht in der Lage, beide über Wasser zu halten. Nur 5 RM in der Woche verdiente sie in einem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Leider betrug das Guthaben des Chemnitzers bei der Sparkasse 42,52 RM zu viel. Es bestand gemäß der Richtlinien keine Möglichkeit, ihn aus sozialen Gründen zu unterstützen. Es gebe keine Ausnahmen von den Vorschriften, so bitter das im Einzelfall auch sei, ließ der Sächsische Sparkassenverband verlauten. Und dies ist nicht das einzige Schicksal, das sich im Schriftverkehr zwischen Sparkassen und Verband zur Durchführung des Befehls 74 in unserem Archiv findet …