• Viele Kunden hielten trotz verlockender Konkurrenzangebote auch nach der Wirtschafts- und Währungsunion ihrer Heimatsparkasse die Treue. Im Bild: Eröffnung der Zweigstelle Holleben der heutigen Saalesparkasse Halle nach der Modernisierung im September 1991. : © Historisches Archiv des OSV

Der Kampf um Kunden und Marktanteile nach der Wirtschafts- und Währungsunion

Im Herbst 1990 stellte sich in der Sparkassenorganisation die Frage, wie sich der Markt im Osten des wiedervereinigten Landes weiter entwickeln würde. Hatten die Sparkassen der ehemaligen DDR eine reale Chance, ihre Kundschaft zu behalten, den hohen Marktanteil von 85 Prozent auf dem Gebiet der Spareinlagen zu sichern und gleichzeitig den eher geringen Marktanteil im Kreditgeschäft auszubauen? Oder gab es bei den Bürgern eher eine Tendenz zur Verlagerung des Kontos? Immerhin stand die Konkurrenz seit Einführung der D-Mark mit Containern vielerorts bereit und bot ihre zahlreichen Produkte aktiv an …

Um Klarheit zu bekommen, wurde mit der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion eine Umfrage ausgewertet, die der Deutsche Sparkassen- und Giroverband einige Wochen zuvor beauftragt hatte. „Sie sollte vor allem Erkenntnisse über die psychologische Wettbewerbssituation der DDR-Sparkassen im Verhältnis zu den sich neu etablierenden westdeutschen Banken bei der Bevölkerung liefern.“ Von Interesse waren außerdem die mit dem eigenen Geldinstitut gemachten Erfahrungen sowie die bestehenden Veränderungswünsche.

Die qualitative Studie mit insgesamt 25 befragten „unselbständigen“ Sparkassenkunden und 20 Selbständigen/Existenzgründern in verschiedenen Bezirken der DDR verdeutlichte „grundlegende Einstellungsdimensionen“, die sich durch die weitere Entwicklung im Osten des Landes auch bestätigten. So kristallisierte sich im Ergebnis eine ermutigende Ausgangslage für die ehemaligen Sparkassen der DDR heraus. Denn eine uneingeschränkte Wechsel-Bereitschaft zu einer BRD-Bank war nicht zu erkennen. Vielmehr wollte die Mehrheit abwarten und sich von den tatsächlichen Vor- und Nachteilen ein eigenes Bild machen.

Verbesserungswürdig waren nach Auffassung der Befragten insbesondere Leistungsangebot und Service der Heimatsparkasse. Die Existenzgründer wünschten sich zudem eine rasche und einfache Kreditgewährung sowie effektive Beratungen. Für die Marktforscher ganz erstaunlich war, dass es „trotz mannigfaltiger Unzufriedenheiten […] starke Solidarisierungen mit der ‚eigenen‘ Sparkasse/Zweigstelle“ gab und dass „die meisten den Idealfall darin sehen, daß die eigene Sparkasse möglichst schnell westlichen Standard erreicht.“

Anfang Oktober 1990 konnte der Präsident des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Rainer Voigt, die Studie und damit die Einschätzung des bundesdeutschen Dachverbandes bestätigen: „Die DDR-Bürger halten ihren angestammten Sparkassen weitgehend die Treue!“

Er ging jedoch schon damals davon aus, dass es wohl nicht möglich sein werde, alle Kunden bei den ostdeutschen Sparkassen zu halten. Gleichzeitig konnte er den bis dahin erzielten Erfolg der gesamten deutschen Sparkassenorganisation würdigen, weil „der massenhafte Abzug von Einlagen in Richtung der anderen Banken noch nicht eingetreten“ war. Die bereits eingeleiteten Verbesserungen, die im Interesse der Kundschaft lagen und den in der Studie festgestellten Wünschen entsprachen, wirkten sich bereits spürbar aus:

  • Flächendeckendes Angebot und Verkauf neuer Produkte im Sparverkehr
  • Neubelebung des Kreditgeschäfts in seiner ganzen Vielfalt
  • Strukturelle Umgestaltung und Modernisierung der Geschäftsstellen

Am Ende des Jahres präsentierte Rainer Voigt auf der Tagung der Vorsitzenden der Verwaltungsräte der Sparkassen der fünf neuen Bundesländer – „trotz harter Konkurrenz“ – ein positives Ergebnis: Der Marktanteil war mit etwa 80 Prozent im gesamten Spargeschäft „seit 1. Juli 1990 […] weitgehend konstant“ geblieben und die neu ausgereichten Kredite umfassten in den ersten Monaten nach der Währungsunion „rund 1,5 Mrd. DM an die klein- und mittelständischen Betriebe in eigenem Risiko.“*

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*Quellen: Sparkassen-Werbedienst, 10, 1990, S. 221ff; Voigt, Rainer: Rede des Präsidenten des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes auf der Betriebswirtschaftlichen Tagung des DSGV in Bonn, 3.10.1990, überarb. Entwurf; Voigt, Rainer: Rede zur Tagung der Vorsitzenden der Verwaltungsräte der Sparkassen im November/Dezember 1990, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 10/2004.