An der Stelle in Berlin-Mitte,
wo heute zwischen Gertrauden- und Grunerstraße die Mühlendammbrücke die Spree
überspannt, stand einst das Mühlendammgebäude. Dieser imposante Bau beherbergte
für vier Jahrzehnte den zentralen Sitz der Städtischen Sparkasse zu Berlin.
Der Mühlendamm war seit Jahrhunderten ein
befestigter Spreeübergang mit Geschäften und Wassermühlen. Mitte des 19.
Jahrhunderts erbaute man auf dem Mühlendamm nach Entwürfen von Ludwig Persius
einen Gebäudekomplex im Stil einer normannischen Burg, in den eine
Getreidemühle einzog. Um 1890 wurden diese Bauten weitgehend abgerissen. Nur
einige Seitenwände von den beiden mittleren Gebäuden blieben stehen. Sie wurden
durch einen gemeinsamen Vorbau verbunden und durch einen Mittelturm ergänzt.
Für dieses neue Mühlendammgebäude, das sich im Baustil an seinen Vorgängerbau
anlehnte, war der Architekt und Berliner Stadtbaurat Hermann Blankenstein
verantwortlich.
Seit der Reichsgründung 1871 stieg die Bevölkerung
Berlins rasant an. Lebten 1875 erst knapp eine Million Einwohner in der Stadt,
so waren es 1905 bereits über zwei Millionen. Auch der Kundenzuwachs bei der
Sparkasse war erheblich. Die Anzahl der Sparkassenbücher nahm im Zeitraum von
1866 bis 1900 von rund 67 000 auf knapp 700 000 Stück zu. Daher reichten die
Räumlichkeiten im bisherigen Sitz der Sparkasse im Palais Podewils in der
Klosterstraße nicht mehr aus.
Am 16. Dezember 1893 erfolgte der Umzug der Sparkasse in das neue Mühlendammgebäude. Die Berliner Gerichts-Zeitung berichtete am 19. Dezember 1893 über das Ereignis vom vorangegangenen Sonnabend, „dass dieser Wohnungswechsel keine geringe Arbeit machte, wird jeder verstehen, der die große Menge von Arbeitsmaterial der Städtischen Sparkasse kennt. Möbelwagenweise wurden die Geschäftsbücher befördert; in Kisten und Kasten verpackt war das wertvolle Inventar, bis das schwere Geschütz der großen Schränke und Repositorien zuletzt verladen wurde“.
Zeitgenössische
Zeichnungen vermitteln einen guten Eindruck vom regen Treiben im Kassenraum. Er
war im Erdgeschoss untergebracht, sehr großzügig angelegt und auch bereits mit
elektrischer Beleuchtung ausgestattet. Insgesamt elf Kassen fanden hier Platz.
Zudem war das Gebäude zentral gelegen und von allen Stadtteilen gut erreichbar.
Im neuen Gebäude arbeitete die 1. Abteilung der Sparkasse, die die
Sparbücher mit den Kontonummern 1 bis 500 000 betreute. Aufgrund des starken
Kundenzuwachses gab es seit Oktober 1886 eine 2. Abteilung, die für die Sparbücher
mit den Kontonummern über 500 000 zuständig und im Vordergebäude der Markthalle
III in der Zimmerstraße 90/91 beheimatet war. Daneben gab es damals noch rund 90
Annahmestellen für Spargelder, die ehrenamtlich von Geschäftsleuten betreut
wurden.
Wenige
Jahre nach dem Einzug ins neue Gebäude gab es in der Öffentlichkeit aber
bereits Klagen über den zuweilen sehr starken Kundenandrang und über lange
Wartezeiten bei der Abfertigung in der Kassenhalle der Sparkassenzentrale. Ein
Bericht in der Zeitschrift Sparkasse vom 15. Oktober 1897 beschreibt die
Situation sehr anschaulich: „Versuche, durch Einstellung eines größeren
Beamtenpersonals ein günstiges Resultat zu erzielen, haben nicht den
gewünschten Erfolg gehabt, und man ist zu der Überzeugung gelangt, dass man
derart bedacht sein müsse, namentlich an den verkehrsreichen Tagen beim
Quartalswechsel, an welchen der Andrang zuweilen einen lebensgefährlichen
Charakter annimmt, die Einzahlungen zeitweise von der Zentrale am Mühlendamm
auszuschließen und an die über die ganze Stadt verbreiteten Annahmestellen zu
verweisen.“ Erst Jahre später verbesserte
sich durch die Einrichtung weiterer Kassenstellen im gesamten Berliner
Stadtgebiet die Situation für die Kunden. Zwischen 1911 und 1914 eröffneten
neun größere Geschäftsstellen und in den Jahren 1917 und 1918 kamen 40 kleinere
Zweigkassen hinzu.
Im Mühlendammgebäude erlebte die Berliner Sparkasse 1914 den Beginn des Ersten Weltkriegs. Noch kurz vor Kriegsende fand im Juni 1918 im Gebäude eine Ausstellung zum einhundertjährigen Bestehen der Berliner Sparkasse statt. Es folgten das Ende des Kaiserreichs 1918 und die ereignisreichen Jahre der Weimarer Republik mit der Bildung von Groß-Berlin 1920, der Inflation 1923 und der Weltwirtschaftskrise seit 1929. Zu dieser Zeit entsprach das Mühlendammgebäude nicht mehr den zeitgemäßen Erfordernissen. Man suchte nach einem neuen Quartier und zog im Juli 1933 zum Alexanderplatz ins neuerbaute Alexanderhaus. Der Mühlendamm wurde ab 1936 erneut umgestaltet, das Mühlendammgebäude dabei abgerissen.
Klaus-Dieter Marten
Historisches Archiv der Berliner Sparkasse
Danksagung: Mein
Dank gilt dem Verein für die Geschichte Berlins e.V. für die Nachforschungen
zum genauen Einzugstermin der Sparkasse ins Mühlendammgebäude.
Quellen:
- Bericht zum Neubau des Mühlendammgebäudes, in: Sparkasse, Nr. 228, 01.09.1891, S. 6.
- Bericht zum Umzug der Städtischen Sparkasse, in: Sparkasse, Nr. 284, 01.01.1894, S 6.
- Bericht zur Situation des Kundenverkehrs bei der Städtischen Sparkasse, in: Sparkasse, Nr. 375, 15.10.1897.
- Hundert Jahre Berliner Sparkasse 1818 bis 1918. Berliner Sparkasse (Hg.), Broschüre zum Jubiläum 1918.
- Jahresbericht der Sparkasse der Stadt Berlin 1918.
- Thiele, L., Die Städtische Sparkasse zu Berlin in ihrer Einrichtung und Geschäftsführung, Berlin: 1887.
- Umzug der Städtischen Sparkasse, in: Berliner Gerichts-Zeitung, Nr.148, 19.12.1893.