• Schlagzeilen aus ost- und westdeutschen Tageszeitungen vom 11. und 12.11.1989. : © Historisches Archiv des OSV

  • Blick in die Kundenhalle der Stadt- und Kreissparkasse Eisenhüttenstadt im Jahr 1989. : © Historisches Archiv des OSV

Mauerfall – Glücksfall: Aufbruch der ostdeutschen Sparkassen in eine neue Zeit

Vorwort zum Serienstart

Heute vor 30 Jahren waren nachts plötzlich die Grenzen offen. Ausgelöst durch einen dahingestammelten Satz, der in die Geschichte einging.

Begonnen hat dieses herausragende historische Ereignis auf einer Pressekonferenz. Gegen 19 Uhr informierte Günther Schabowski in seiner Funktion als Sprecher des Politbüros des ZK der SED über die neue Reiseregelung, „die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen.“ Die Journalisten bohrten nach. Schabowski suchte nach Antworten in seinen Papieren. Offensichtlich fand er so schnell nicht die richtige, schien überfordert. Und so erklärte er auf Nachfrage: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“ und gelte sowohl für die BRD als auch für West-Berlin.

Was danach geschah, bewegte die Welt. Unvergessen sind die emotionalen Bilder von jubelnden, fröhlichen Menschen, die sich an den Berliner Grenzübergängen in den Armen lagen; und nur wenig später von endlosen Autoschlangen gen Westen und von Warteschlangen vor Sparkassen. Ein Land war im Aufbruch, im Umbruch, in der Wendezeit. Die Ereignisse überschlugen sich in den Wochen und Monaten bis zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Was heute galt, konnte morgen schon überholt sein. Die Politik hinkte dem Volkswillen ständig hinterher. Und der machte sich Luft, vor allem auf der Straße.

Diese schnelllebige Zeit nutzten nun auch die 196 DDR-Sparkassen. Für sie war der Fall der Mauer ein ungeahnter Glücksfall. Endlich gab es die Chance, sich von der Staatsbank zu lösen, wieder Eigenständigkeit zu erlangen in Anknüpfung an historische Strukturen. Welche Klippen es für die ostdeutschen Sparkassen zu umschiffen galt, bis ruhigeres Fahrwasser erreicht war, davon wollen wir in einer neuen Blogserie erzählen.

Herangezogen werden dafür Akten aus unserem umfangreichen Archivbestand, Zeitzeugengespäche, Studien und Forschungsbeiträge, Zeitungsartikel, Festschriften sowie Jahresberichte. Spannende Themen, an denen wir die Entwicklungsetappen festmachen können, stellen wir Ihnen in chronologischer Reihenfolge vor. So erleben Sie fast auf den Tag genau, was vor 30 Jahren erdacht, besprochen oder angepackt wurde. Seien es die ersten Treffen zwischen Ost und West, neue Produkte, flächendeckende Schulungsprogramme oder sei es die Einführung der D-Mark, die Idee eines „gemischten Doppels“ für jedes Haus oder die EDV-Umstellung – eine Vielzahl an Herausforderungen wird Ihnen begegnen, die in relativ kurzer Zeit zu bewältigen waren.

Ein ganz besonderer, noch heute beeindruckender Gestaltungswille trieb die Beschäftigten der ostdeutschen Sparkassen an, sich gemeinsam auf den Weg in eine neue Zeit zu machen. Man spürt beim Lesen der alten Unterlagen förmlich die enorme Kraftanstrengung, derer es bedurfte, um eine erfolgreiche Zukunft in einem vollkommen anderen, für die Akteure fremden System zu gestalten. Es lohnt sich also, sich auf eine Reise in die Vergangenheit zu begeben und diese aufregende Umbruchzeit in vertiefenden Beiträgen aufzuarbeiten – nicht zuletzt, da auch Studien nachwiesen, dass die DDR-Sparkassen zu den „wenigen Beispielen von wirklicher Umstrukturierung“ und damit „eindeutig zu den Gewinnern der Wiedervereinigung“ gehören.*

Fortsetzung folgt am 10.11.2019

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*Sparkassen im Wandel – wie Phönix aus der Asche. Teilstudie, ca. 1998 [unvollständige Fassung], Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 6b/2004.