• Die Gedanken der Abteilung Sparkassen zur Neuorientierung der ostdeutschen Sparkassenorganisation gehen Ende November 1989 bereits davon aus, dass es auch in der DDR wieder Länder mit eigenständigen Regierungen – analog der Struktur bis 1952 - geben könnte. Die Sparkassenverbände wären diesen unterstellt; ein zentraler Dachverband würde die „notwendige Einheitlichkeit“ sicherstellen. : © Historisches Archiv des OSV

„… mit den heute getroffenen Festlegungen nunmehr die Angelegenheit erledigt ist, oder?“




Blogserie, Teil 5

Am 18. Dezember 1989 ist es geschafft. Bruno Meier informiert seinen Vorgesetzten Horst Kaminsky, den Präsidenten der Staatsbank der DDR, über seine Entscheidung, „mit einer kleinen Arbeitsgruppe […] im Laufe des 1. Quartals 1990 auf der Grundlage zu fassender Beschlüsse des Ministerrates die Bildung eines Sparkassenverbandes der DDR“ vorzubereiten. Die Verantwortung übertragt er dem Leiter der Abteilung Sparkassen, Rainer Voigt.*

Das beharrliche, kritische Hinterfragen Voigts war also erfolgreich. Sein lange verfolgtes Ziel, für „das größte Kreditinstitut in der DDR“ mit 20.000 Mitarbeitern und rund 3.000 Filialen, eine „repräsentativer erscheinende Organisationsstruktur“ zu schaffen, rückt in greifbare Nähe.**

„Die Angelegenheit“*** – gemeint sind die Beschwerde zum Positionspapier der Bank und das Rückspracheersuchen Voigts – ist damit erledigt. Denn Meier folgt Voigts Vorschlag und vertraut Sparkassenpraktikern die Gestaltung der eigenen Zukunft an. Und die haben viel vor, wie aus dem „Material über gegenwärtig gültige gesetzliche Bestimmungen“ hervorgeht, welches Meier zur Argumentation als Anlage seiner Information an den Präsidenten beifügt.

Einerseits verweist das von der Abteilung Sparkassen verfasste Papier darauf, dass die §§ 12 und 13 des Statuts der Sparkassen der DDR vom 23. Oktober 1975 anzupassen seien, um die „Bildung von Sparkassenverbänden in der DDR“ zu ermöglichen. Andererseits wird ganz klar formuliert, was das Hauptziel ist, „die bisherige Abt. Sparkassen aus der bestehenden Struktur der Staatsbank herauszulösen, um die erforderlichen organisatorischen Aufgaben lösen zu können.“****

Nicht ganz unerheblich für Meiers Einlenken sind aber auch „Kritiken von Kollektiven und einzelnen Mitarbeitern aus vielen Sparkassen“, die seit November 1989 verstärkt die Staatsbank erreichen. Der angestaute Ärger wird in Eingaben mehr als deutlich. Es geht um die Erhöhung der Gehälter, die seit Jahren gefordert werden, um eine hohe Fluktuation, ungünstige Arbeitszeiten, eine hohe Arbeitsbelastung vor Ort, um die schlechte technische Ausstattung, um mehr Kompetenzen und vieles mehr.

Die Abteilung Sparkassen der Staatsbank der DDR konnte bei den aufgeführten Problemen in der Vergangenheit nur bedingt weiterhelfen. Denn die letztendliche Entscheidungshoheit oblag und obliegt zu diesem Zeitpunkt der Staatsbank – auf allen Ebenen. Die vorgegebene Struktur behindert die Abteilung Sparkassen in ihrem Wirken. Insbesondere, weil sie den Anspruch hat, uneingeschränkt und konstruktiv als Zentrale zur Regelung der praktischen Arbeit der Sparkassen zu agieren. Allzu oft waren ihr jedoch die Hände gebunden, um schnelle Verbesserungen durchzusetzen.

Doch nun ist die Zeit gekommen, um aktiv gegenzusteuern. Erste „Abnabelungsversuche“ werden sichtbar. So bittet sie bereits im November 1989 um Hinweise zur Reduzierung von Arbeitsaufwand sowie um Vorschläge zur Erweiterung der Kompetenzen der Sparkassendirektoren vor Ort. Bereits am 17. November kann sie über „Sofortmaßnahmen zur Reduzierung von Arbeitsaufwand im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Krediten privater Handwerker und Gewerbetreibender“ informieren und damit eine „Erhöhung der Eigenverantwortlichkeit der Direktoren der Sparkassen“ erreichen.*****

Um jedoch noch effektiver und zufriedenstellender arbeiten zu können, ist allen Beteiligten in Berlin klar, dass die kleine Arbeitsgruppe unter Voigt schnell loslegen muss. Sie soll in einem ersten Schritt Aufgaben, Rechte und Pflichten eines Sparkassenverbandes zusammentragen. Das 1. Quartal 1990 ist von Meier avisiert, nun steht Weihnachten vor der Tür.

Wird es ein besinnliches Fest mit den Lieben geben oder nutzen die Sparkassenpraktiker ihren Elan, um sofort mit dem Projekt zu starten und die Entscheidung über eine Loslösung von der Staatsbank aktiv voranzutreiben?

Fortsetzung am 28.12.2019

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*Meier, Bruno: Information für Genossen Kaminsky, Betr. Bildung eines Sparkassenverbandes, 18.12.1989, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.

**Die Hartnäckigkeit und die kritische Haltung, Dinge nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sind Wesenszüge Voigts, an die sich Kaminsky später sehr gut erinnern kann. Immerhin blieb ihm dieser unbequeme Sparkassenmann, der „nur“ ein Abteilungsleiter von vielen in der Staatsbank war, im Gedächtnis. Bestand: Historisches Archiv des OSV, ZZI Rainer Voigt, 15.05.2012. / Gedanken zur Struktur der Sparkassen sowie den Arbeitsinhalten, Anlage 2, Abt. Sparkassen, 27.11.1989, Akte HA-76/2004a-c.

***handschriftlicher Vermerk von Meier auf dem Rückspracheersuchen Voigts vom 14.12.1989; Auszug in der Überschrift zum Blogbeitrag, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.

****[Material über gegenwärtig gültige gesetzliche Bestimmungen], Abt. Sparkassen, 14.12.1989, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.

*****Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.

******Bild: Übersicht Bezirke der DDR aus dem Statistischen Jahrbuch der Deutschen Demokratischen Republik von 1989 sowie Übersicht Bundesländer aus dem Statistischen Jahrbuch für das vereinte Deutschland von 1991.

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