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Das Reichsnotopfer

Vor 100 Jahren bekam ein Unternehmer aus dem heutigen Limbach-Oberfrohna eine Postkarte von seiner Sparkasse. Ihm wurde mitgeteilt, dass er eine Bescheinigung über das von ihm geleistete Reichsnotopfer abholen könne. Das war eine höchst umstrittene Vermögensabgabe, die der in Finanznot befindliche deutsche Staat nach dem Ersten Weltkrieg von natürlichen und juristischen Personen haben wollte. Damals wurde das gesamt Steuer- und Finanzwesen grundlegend reformiert und unter anderem die Kapitalertragsteuer eingeführt. Das Gesetz über das Reichsnotopfer vom 31. Dezember 1919 bezog sich auf das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen abzüglich der Schulden. Es umfasste etwa Kapital-, Grund- und Betriebsvermögen.

Der grundsätzliche Freibetrag belief sich übrigens auf 5.000 Mark pro Person, bei Ehegatten auf 10.000 Mark. Die Abgabe betrug bis zu einem Vermögen von 50.000 Mark 10 % und steigerte sich bis auf 65 % bei mehrfachen Millionären. Wie viel der Möbelfabrikant Ernst Bachmann berappen musste, wissen wir nicht. Überliefert ist jedoch, dass die Abwicklung des Reichsnotopfers den Sparkassen jede Menge Arbeit bescherte. Sie nahmen Beträge für die Finanzämter an, welche sogar mit Kriegsanleihen an Zahlung statt geleistet werden konnten. Durch die Herausgabe dieser Papiere hatte sich das Deutsche Reich im Krieg enorm bei den Bürgern verschuldet. Wenn die Sparkassen sie als Reichsnotopfer annahmen und weiterleiteten, bekamen sie eine geringe Vergütung.

  • Seite eines Sparkassen-Buchs der Gemeindesparkasse Sehma im Erzgebirge : © Historisches Archiv des OSV

100 Jahre Kapitalertragsteuer

Die Kapitalertragsteuer ist in der Bundesrepublik Deutschland eine Form der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Vor 100 Jahren wurde sie im Deutschen Reich eingeführt. Am 29. März 1920 beschloss die verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung Gesetze zur Einkommensteuer und Kapitalertragsteuer, welche nach Zustimmung des Reichsrats verkündet wurden. Zinsen waren steuerbare Kapitalerträge.* Steuerpflichtig war der Gläubiger des Kapitalertrags, etwa der Sparer. Konkret wurde zu Gunsten des Reichs eine Steuer von zehn Prozent erhoben. Dies betraf Erträge ab dem 31. März 1920. Geregelt war zum Beispiel für dieses sächsische Sparbuch, dass nach Ablauf des Geschäftsjahrs die Sparkasse zehn Prozent der an den Kunden zu entrichtenden Zinsen an das Finanzamt abführte. Dies wurde natürlich ordentlich im Sparkassenbuch quittiert.

* Vgl. Kapitalertragsteuergesetz vom 29. März 1920, § 2 I.1., in: Reichsgesetzblatt Nr. 54 1920, S. 345