• Die Satzungen der bis 1952 bestehenden regionalen Sparkassenverbände waren eine gute Basis, um die Satzung des Sparkassenverbandes der DDR vorzubereiten. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

Mit Arbeitselan durch die Weihnachtszeit 1989

Blogserie, Teil 6

Zwei Tage nachdem Bruno Meier den Präsidenten der Staatsbank davon unterrichtet hatte, dass es eine Arbeitsgruppe geben wird, um die Bildung eines Sparkassenverbandes der DDR vorzubereiten, verkündet er seine Entscheidung auch den Stellvertretern der Bezirksdirektoren für Sparkassen.

Diese tagen kurz vor Weihnachten am 20. Dezember 1989 noch einmal in Berlin, obwohl sie gerade erst 14 Tage zuvor zusammengekommen waren, um den „Dank des Präsidenten der Staatsbank für die in den vergangenen Wochen auf dem Gebiet des Spar- und Zahlungsverkehrs geleistete Arbeit“ entgegenzunehmen und um zu erfahren, dass er eine engagierte Aufgabenerfüllung auch 1990 erwarte.

Diskutierten die Teilnehmer bereits Anfang Dezember die „Neubestimmung der Rolle und Struktur der Sparkassen im Zusammenhang mit der Verwaltungs- und Wirtschaftsreform“, wird es nun immer konkreter. Denn aus den Sparkassen waren in der Zwischenzeit zahlreiche Verbesserungsvorschläge eingetroffen.

So gibt es an diesem 20. Dezember unter anderem Festlegungen zu den Kassenöffnungszeiten und dazu passenden „praktikablen örtlichen Maßnahmen“, welche den zentralen Maßnahmeplan vom 6. Juni 1988 ersetzen und mit den örtlichen Räten abzustimmen sind. Außerdem gibt es Entscheidungen zum Verkauf von FDGB-Marken durch die Sparkassen, der im zweiten Quartal 1990 auslaufen soll, zur Führung von Konten für Organisationen und Vereine sowie zum Umgang mit den Themen Geldkartenbetrug und Geldkartenverlust.* Deutlich wird, dass all‘ diese Änderungen die Eigenverantwortung der Sparkassen vor Ort und ihre kommunale Bindung stärken werden.

Auch die Arbeitsgruppe um Rainer Voigt ist in der Weihnachtszeit aktiv. Sie beschäftigt sich mit der Frage, was ein Sparkassenverband der DDR zu leisten hat. In der „Abteilung ‚Sparkassen‘ der Staatsbank erinnerte man sich an die alten Verbandsstrukturen der Jahre 1945 bis 1952“**, sodass man mit den Ideen nicht bei Null anfangen muss. Die lange Tradition der Sparkassenorganisation kommt den erfahrenen Mitarbeitern nun zugute. Sie können auf die vorhandenen Satzungen der Sparkassenverbände der einzelnen Länder zurückgreifen, die 1947/1948 neu in Kraft getreten waren. Es ist also eine Grundlage vorhanden, auf der sich aufzubauen lohnt.***

Am 28. Dezember 1989 ist es dann so weit. Das Team legt ein Papier vor, das die „Aufgaben des Sparkassenverbandes der DDR“ skizziert und damit den Rahmen festlegt, in dem sich ein Verband für seine Sparkassen in Zukunft bewegen und einsetzen soll. Insgesamt werden acht Handlungsfelder definiert:

1. Entwicklungs- und Führungszentrum der Sparkassenorganisation
Das bedeutet:
a) Gestaltung, Förderung und Vervollkommnung des Sparkassenwesens
b) Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung und der Gesetzgebung hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Sparkassenarbeit

2. Förderung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder durch Information, Beratung, Erfahrungsaustausch und Unterstützung, inkl. Rechtsberatung

3. Vertretung der Sparkassen gegenüber den Aufsichtsorganen, der Öffentlichkeit und den internationalen Gremien, u. a. zur Sicherung des Mitspracherechts

4. Gestaltung einheitlicher Bedingungen, soweit das notwendig ist, insbesondere in Bezug auf Technologien und rechtsverbindliche Weisungen

5. Entwicklung der Sparkassenautomation, u. a. Geldautomaten, Buchungsprogramme, PC-Arbeit

6. Gestaltung und Organisation der Aus- und Weiterbildung

7. Gestaltung und Durchführung der Sparkassenrevision

8. Bildung, Aufsicht und Vertretung in Gemeinschaftsunternehmen, wie z. B. Bausparkasse, Datenverarbeitung

Noch unter dem Eindruck eines „geheimen Treffens“ mit Vertretern des bundesdeutschen Dachverbandes am 2. Januar 1990 entsteht ein weiteres Papier, dessen Inhalt gleichermaßen ein bedeutender Bestandteil einer zukünftigen Satzung des Sparkassenverbandes der DDR sein würde. Rainer Voigt erinnert sich später daran zurück, dass die Erkenntnisse aus diesem ersten Treffen mit DSGV-Kollegen „uns ein paar Tage sehr zu schaffen gemacht“ haben. Denn es wurde allen „ziemlich schnell klar […], dass wir nicht nur eine Konzeption erarbeiten müssen“, sondern „auch schon einen Vorschlag machen, wie wir einen solchen Verband aufstellen wollen und eine Satzung erarbeiten.“ Das bedeutete wiederum, dass man mit der Satzung des DSGV zu diesem Zeitpunkt „gar nichts anfangen“ konnte. Gern hätte man sie neben den alten Satzungen von 1947/1948 ebenfalls als Mustervorlage verwendet. Das ganze Dilemma fasst Voigt so zusammen: „Wir wollten […] ein Zentralverband für ein Land sein. Aber wir wollten auch ein Regionalverband sein, der bestimmte Funktionalitäten hat […] wie ein Niedersächsischer oder ein Bayerischer Verband.“****

Mit diesem Ziel vor den Augen entsteht schließlich ein Entwurf zu den „Aufgaben des Vorstandes des Sparkassenverbandes der DDR, einschließlich Struktur“. Er enthält Überlegungen zu den Gremien des Verbandes, zu den Befugnissen der Verbandsversammlung und zur Beschlusshoheit des Vorstandes.*****

Beide Ausarbeitungen, sowohl das Papier zu den Aufgaben als auch das Papier zur Struktur des Sparkassenverbandes der DDR, muten noch heute sehr modern an. Viele Punkte finden sich in der gültigen Satzung des Ostdeutschen Sparkassenverbandes wieder. Doch wie wurden die Vorschläge, welche die Weichen für die Zukunft der ostdeutschen Sparkassenorganisation stellen sollten, vor 30 Jahren aufgenommen? Entsprachen sie tatsächlich den Vorstellungen der Sparkassendirektoren, denen bereits im Januar 1990 ein erster Satzungsentwurf zur Diskussion vorgelegt werden konnte?

Fortsetzung am 05.01.2020
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*Protokolle der Beratung mit den Stellvertretern der Bezirksdirektoren für Sparkassen am 6.12.1989 und 20.12.1989 in Berlin, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE-Pötzl 16/2004.

**Wysocki, Josef ; Günther, Hans Georg: Geschichte der Sparkassen in der DDR 1945 bis 1990, Stuttgart, 1998. S. 59.

***Die Satzungen der Sparkassenverbände in Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen traten mit Wirkung vom 1. Mai 1947 in Kraft; die Satzung des Sparkassenverbandes Sachsen mit Wirkung vom 1. Juni 1948.

****Bestand: Historisches Archiv des OSV, ZZI Rainer Voigt, 15.05.2012.

*****Aufgaben des Sparkassenverbandes der DDR, 28.12.1989; Entwurf: Aufgaben des Vorstandes des Sparkassenverbandes der DDR, einschließlich Struktur, 05.01.1990, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-76/2004a-c.