• Medaille eines Arbeiter-Sparvereins mit einem Portrait König Alberts von Sachsen (1873 - 1902) auf der Rückseite : © Historisches Archiv des OSV

Arbeitersparvereine in Sachsen

Ameise, Biene, Ehrlichkeit, Eiche, Einigkeit, Eintracht, Erheiterung, Erholung, Familienbund, Freundschaftsbund, Frohsinn, Genossenschaft, Gerechtigkeit, Gemütlichkeit, Geselliger Kreis, Glück, Harmonie, Hoffnung, Kamerad, Liebe, Nachbarschaft, Rebe, Redlichkeit, Saxonia, Tannenbaum, Teutonia, Union, Veilchen, Verbrüderung, Vertrauen, Wanderlust, Zufriedenheit oder auch  Zukunft, solche klangvollen Namen führten Arbeitersparvereine Ende des 19. Jahrhunderts im Königreich Sachsen.

Sachsen war damals ein aufstrebendes Industrieland. Arbeiter und auch Arbeiterinnen gründeten dort Sparvereine als Selbsthilfeeinrichtungen. Die Mehrzahl entstand in den 1860er-Jahren. Hunderte sollen 1891 in Südwestsachsen bestanden haben.* Ihre Gründung lief folgendermaßen ab: Man versammelte sich und beschloss, jede Woche einen bestimmten Beitrag zu sparen. Dieser wurde von einer gewählten Person verwaltet und häufig der nächsten Sparkasse anvertraut. Gespart wurde üblicherweise bis zur Weihnachtszeit, für Einkäufe, um der Familie etwas zu bieten.

Wichtig war auch die gegenseitige Unterstützung in Notlagen. Es wurde zum Beispiel Geld für bestimmte Anlässe eingesammelt, etwa um Mitgliedern zur Heirat eine Freude zu machen oder um den Angehörigen Gestorbener eine kleine Beihilfe zu den Begräbniskosten zu leisten. Nicht fehlen durften gesellige Treffen und Unternehmungen. In der Regel kamen die Mitglieder alle zwei Wochen oder monatlich in einer bestimmten Kneipe zusammen, denn andere Versammlungsorte gab es nicht. Es wurden neue Mitglieder vorgeschlagen, die Kassenverhältnisse geprüft und Unternehmungen besprochen. Für diese galt es extra zu sparen. Dann wurde Skat gespielt und Bier getrunken.

„Mancher nimmt Anstoß daran, dass die Sparvereine zugleich Vergnügungsvereine sind, aber das lässt sich leicht rechtfertigen. Etwas Vergnügen will jeder Mensch haben, auch der sparende; […] Das Sparen allein bringt die Menschen nicht zu einem freundlichen Verkehr […] und der Arbeiter, der einem Verein beitritt, will seinen Vereinsgenossen gemütlich nähertreten und das macht sich von selbst bei einem Glase Bier, einem Tänzchen, einem Ausfluge oder Kinderfeste. Besonders junge Leute würde man ohne diesen Nebenzweck nicht anlocken.“*

Nur gelegentlich wurde über die Stränge geschlagen. Berichtet wird, dass wohl einige Tanzvergnügen bis 5:00 Uhr in der Früh dauerten oder Sparvereinler lieber den Omnibus statt den Zug von Chemnitz nach Frankenberg nahmen, um bei einem Ausflug in jedem Wirtshaus einzukehren. Gesitteter ging es hingegen bei einer Tagestour zu, die mehrere Chemnitzer Sparvereine 1885 mit einem eigenen Sonderzug nach Meißen unternahmen. Über ein Jahr hatte man sich auf das Event gefreut (und gespart), sah zum ersten Mal im Leben die Elbe und ein Schiff und konnte eine kurze Dampferfahrt unternehmen.

 

* Dr. Bode, Wilhelm: Die Arbeiter-Sparvereine im Königreich Sachsen, in: Der Arbeiterfreund – Zeitschrift für die Arbeiterfrage. Organ des Central-Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen, hrsg. von Prof. Dr. Viktor Böhmert und Prof. Dr. Rudolf von Gneist, 30. Jahrgang, Heft 3, 1892

  • Ansichtskarte Weihnachten Stollen

    Ansichtskarte, versendet 1906, unbekannter Verlag; Bestand: Historisches Archiv des OSV

Eine Stollensparkasse?

Nach dem Ende der Inflation der frühen 1920er Jahre versuchten die Sparkassen auf vielfältige Weise, die Menschen wieder zum Sparen zu bewegen. Zur Belebung des Spargeschäfts empfahl beispielsweise 1924 der Sächsische Sparkassenverband den Mitgliedskassen die Ausgabe von Heimsparbüchsen oder Sparbüchern mit Geschenkeinlage. Er wies auch auf die Nützlichkeit von Schul- und Fabriksparkassen hin und erwähnte Aussteuer- und Stollensparkassen zum Zwecksparen.

Sparen war kein Selbstzweck. Es wurde ein Ziel dabei verfolgt, zum Beispiel die Anschaffung der Aussteuer, also einer Haushaltsausstattung für die Hochzeit. Aber was war eine Stollensparkasse? Offenbar existierten solche Einrichtungen schon um 1900 in Sachsen. Bäcker erhoben von Sparwilligen während des Jahres eine sogenannte „Stollensteuer“. Die einzelnen Beiträge wurden verzeichnet und auf ein Sparkassenbuch eingezahlt, blieben bis zur Verwendung angelegt. Wenn gebacken wurde, bekamen die Sparenden ihren Anteil.

Ein richtiger Weihnachtsstollen vom Bäcker war ein gehaltvoller und sicherlich nicht billiger Kuchen. Ein Kilogramm Butter, wichtiger Bestandteil des Christstollens, kostete etwa 1901 in Südwestsachsen bis 2,80 Mark. Zum Vergleich: Täglich ausgezahlte Arbeiter erhielten damals in der Region bestenfalls 2,50 Mark und Arbeiterinnen 1,70 Mark pro Tag.