• Nur 15 DDR-Mark durften 1 zu 1 in Deutsche Mark gewechselt werden. : © Historisches Archiv des OSV

  • © Historisches Archiv des OSV

DM für die Reise

Blogserie, Teil 3

„Zur Verbesserung der Betreuung der Bevölkerung im Reisezahlungs- verkehr sind die Sparkassen im Auftrag der Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik berechtigt, Zahlungsmittel in Währungen anderer Staaten […] zu verkaufen.“* So stand es in der Satzung der DDR-Sparkassen geschrieben. Allerdings bekam man vor 30 Jahren lediglich einmalig 15 DM im Verhältnis 1 zu 1 gewechselt. Mehr Reisegeld gab es nicht. Aufgrund der knappen Devisenvorräte und wohl auch, um den privaten Reiseverkehr einzudämmen, hatte die Regierung 1987 die Ausstattung so gering festgelegt. Die Reaktion der Bundesregierung war die Erhöhung des Begrüßungsgeldes auf 100 DM gewesen.

Nach der Grenzöffnung am 9. November 1989 reisten sehr viele Ostdeutsche in die Bundesrepublik und nach Westberlin. Allein bis zum 15. November sollen sich über drei Millionen Menschen ihre 15 DM geholt haben.** Innerhalb von zwei Wochen hatten etwa 12,8 Millionen Bürger rund 200 Millionen DM in der DDR eingetauscht, so der Präsident der Staatsbank Horst Kaminsky.*** Seinen Ausführungen nach gestaltete sich die Versorgung mit Devisen als logistischer Kraftakt, weil Unmengen kleinerer Banknoten und 5-DM-Münzen zentral beschafft und in alle Teile der Republik weitergeleitet werden mussten. Die enorme Arbeitsbelastung, insbesondere der weiblichen Beschäftigten der Sparkassen, thematisierte er. Ein Ende des Ansturms war da noch nicht abzusehen.

Ein Abteilungsleiter der Kreissparkasse Zschopau berichtete rückblickend: „Mit der neuen Reiseregelung hat uns im November 1989 der Tausch der 15,– DM regelrecht überrollt (ca. 60.000 Bürger haben bei uns umgetauscht). Gegenwärtig bereitet uns der DM-Tausch aus dem gemeinsamen Devisenfonds manches Kopfzerbrechen. Für die zuletzt genannten Aufgaben wurden viele Wochenenden gearbeitet.“**** Nachdem das Begrüßungsgeld zum Jahresende abgeschafft worden war, durfte der DDR-Bürger auf Grundlage eines gemeinsamen Devisenfonds von Bundesrepublik und DDR Reisegelder im Umfang von 100 Mark 1 zu 1 wechseln. Weitere 100 DM bekam man für 500 Mark. Es war nämlich für diesen Betrag ein „Aufschlag“ von 400 % festgelegt.

Der „Run“ auf die harte Mark, noch vor der Währungsunion 1990, stellte eine große Herausforderung für die ostdeutschen Sparkassen dar, weil sie bereits mit Aufgaben – auch sparkassenfremden – überladen und gleichzeitig noch unterbesetzt waren. Auch galt es, lange Öffnungszeiten zu gewährleisten. Die physische und psychische Leistungsgrenze des fast ausschließlich weiblichen Personals war erreicht. Außerdem wurde die Leistung der Angestellten verhältnismäßig schlecht honoriert. Die meisten Sparkassenfrauen bekamen 1989 lediglich 850 Mark brutto.***** So konnte es nicht weitergehen.

Fortsetzung folgt am 12.12.2019

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* Statut der Sparkassen der Deutschen Demokratischen Republik, 23.10.1975, § 7, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I, 20.11.1975, S. 703 (Historisches Archiv des OSV)

**  DDR-Staatsbank-Vizepräsident: An Abwertung der Währung wird nicht gedacht, in: Freie Presse, 16.11.1989, S. 3 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz)

*** 200 Millionen DM bisher an Bürger der DDR ausgezahlt. ADN-Interview mit Staatsbankpräsident Horst Kaminsky, in: Freie Presse, 25.11.1989, S. 4 (Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz)

**** Schreiben von E. N. an den Vorsitzenden des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik, Hans Modrow, 21.1.1990 (Historisches Archiv des OSV)

***** Wysocki, Josef/ Günther, Hans-Georg: Geschichte der Sparkassen in der DDR 1945 bis 1990, 1998, S. 236

  • Erlebniswelt Sparkassenmuseum: Ein typischer Kassenbereich 1991, im Originalzustand erhalten. : © Historisches Archiv des OSV

  • Erlebniswelt Sparkassenmuseum: Alte Geschäftsstellen nicht hinter Glas, sondern zum Anfassen und Ausprobieren. : © Pressebild

  • Blick in die Sammlung des wiedereröffneten Sparkassenmuseums. : © René Lindenthal, Grimma

  • Die großformatige Karte "Der deutsche Kommunal-Giroverkehr" mit allen Girostellen im Jahr 1927 hat Seltenheitswert. : © Historisches Archiv des OSV

Manchmal macht auch der November alles neu – Wiedereröffnung des Sparkassenmuseums in Grimma

Vor 22 Jahren eröffnete die Sparkasse Muldental in ihrer ehemaligen Hauptstelle in Grimma ein kleines Museum. Genutzt wurde ein Raum in der früheren Direktorenwohnung in der dritten Etage. Bereits drei Jahre später erfolgte eine Erweiterung auf vier Räume. Ob Grimmaer, auswärtige Gäste oder Schulklassen – viele Besucher fanden den Weg in dieses Kleinod und waren begeistert von der Vielfalt der Sammlung.

So hätte es weitergehen können, wenn nicht etwas sehr Einschneidendes passiert wäre. In schmerzlicher Erinnerung ist den Nutzern des Hauses am Markt 13 noch das Hochwasser. Aber Wasser kann auch durch die Decke kommen. Durchaus viel, wenn es durch einen Rohrbruch aus der Wand austritt und erst nach Tagen bemerkt wird. Die Folgeschäden in drei Räumen des Museums waren im November 2015 so groß, dass es geschlossen werden musste.

Nun ist wieder November und viel ist seitdem geschafft worden. Das Museum blieb im Herzen Grimmas, zog nur zwei Etagen tiefer, in die ehemalige Geschäftsstelle der Sparkasse. Ein Verein, der eigens dafür gegründet wurde, kümmert sich um die Ausstellung. Die Mitglieder – ehemalige, aber auch aktive Sparkassenmitarbeiter – freuen sich über die Übernahme des Museums durch die Sparkasse Muldental. Auf der Tagesordnung stehen der Neuaufbau, die Erhaltung und Sicherung der Sammlung sowie das Nutzbarmachen für die breite Öffentlichkeit. Dies sind alles Dinge, die nicht zu den eigentlichen Aufgaben einer Sparkasse gehören und daher von einem Verein besser geleistet werden können.

Am 15. November 2019 – also genau vor einer Woche – hatte der Verein zur Wiedereröffnung des Museums eingeladen. Die derzeit 16 Mitglieder begrüßten viele interessierte und neugierige Gäste, Vertreter der Stadtverwaltung und Stadtinformation Grimma, der Sparkasse sowie ihres Verwaltungsrates. Auch die fleißigen Helfer der letzten Jahre, Vertreter des Ostdeutschen Sparkassenverbandes aus Berlin, die Verbundpartner und die Presse sowie das Regionalfernsehen waren gekommen.

Auf einer größeren Ausstellungsfläche konnten sich die ersten Besucher davon überzeugen, dass der Großteil der Sammlung gerettet wurde und das Angebot des Museums nach wie vor breit gefächert ist. Zu entdecken gibt es viel:  Von der Gründungsurkunde einer Sparkasse aus dem Jahr 1840, über Sparkassenbücher vor 1900 und Maschinen aus den 1930er Jahren, bis hin zu handgeschriebenen dicken Büchern, alten Telefonen und einem der ersten Handys. Zu sehen sind u. a. auch alte Plakate, Kassenbücher, Stempel, Tresorschlüssel, Spardosen, Wertpapiere, Geschenkgutscheine, Zahlungsmittel, aber auch Alltagsgegenstände aus früheren Zeiten. Man kann sich in einer Geschäftsstelle von 1937 umsehen und diese mit einer von 1991 vergleichen, ein Schreibpult ausprobieren und sogar das Geheimnis eines Schreibtisches entdecken. Wenn Besucher etwas mehr Zeit mitbringen, erfahren sie interessante Begebenheiten aus vergangenen Tagen; Kinder können sich als Kassierer hinter dem Schalter versuchen.

Die ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder bieten individuelle Führungen nach Absprache an. Eine Anmeldung ist über die Mailadresse muldental@spk-museum.de oder den Hausbriefkasten möglich. Zu besonderen Ereignissen der Stadt öffnet das Museum in jedem Fall seine Türen, wie zum Beispiel während des Weihnachtsmarktes am 8. Dezember 2019 von 13 bis 17 Uhr.

Der Eintritt ins Museum und die Führungen sind kostenfrei. Um die Vereinsarbeit voranzubringen, ist jeder weitere Mitgliedsantrag gern gesehen und natürlich auch jede Spende:

Konto: Sparkassenmuseum Muldental e. V.
IBAN DE58 8605 0200 1041 0007 20

Schauen Sie vorbei! Willkommen sind insbesondere auch junge Leute, Schulklassen und Hortgruppen.

Angela Elsner
Vorsitzende des Sparkassenmuseum Muldental e. V.

Hier gehts zur Museumsseite ——>>>>

  • In Duderstadt warteten Bürger nicht etwa stundenlang auf die Auszahlung des Begrüßungsgeldes, sondern "durchschnittlich 2 Minuten". Auch von "Stückelungs-Problemen" wie es sie in der "Finanzmetropole Frankfurt" gegeben haben soll, könne in der Kleinstadt keine Rede sein, so der Vorstand am 13. November 1989. : © Sparkasse Duderstadt

  • Den Grenzübergang Worbis/Duderstadt gab es schon seit Juni 1973. Doch bis zu dem außergewöhnlichen Wochenende nach dem Mauerfall im November 1989 hatte man so einen Ansturm von Reisenden aus der DDR in der Stadt noch nicht erlebt. : © Sparkasse Duderstadt

Duderstadt im Ausnahmezustand

Blogserie, Teil 2

Wer aus einer Kleinstadt kommt, kennt das gut: Am Wochenende geht es eher gemächlich zu. Sind die Läden geschlossen, ist der Markt beendet, dann sind die Straßen wie leergefegt. Man zieht sich zurück in die häusliche Idylle, geht abends vielleicht zu Freunden oder ins Kino. Das gilt besonders für graue und trübe Novembertage.

So wäre es sicherlich auch in Duderstadt, einer Kleinstadt im südöstlichen Niedersachsen, nahe der thüringischen Grenze, gewesen. Wenn nicht – ja, wenn nicht plötzlich in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag die DDR-Grenzen offen gewesen wären. Was in einem Ort mit etwa 22.000 Einwohnern ganz unerwartet passierte, warum ein Krisenstab eingerichtet werden musste, um das Wochenende vom 11./12. November 1989 zu managen, das hat heute vor 30 Jahren der Vorstand der Sparkasse Duderstadt in einem Schreiben an den Präsidenten des Niedersächsischen Sparkassen- und Giroverbandes, jetzt Sparkassenverband Niedersachsen, festgehalten.

Mit seiner Situationsbeschreibung bewies der Vorstand historischen Weitblick. Ergänzt mit Schnappschüssen von damals entstand für die Nachwelt ein sehr lebendiges Bild von jenen aufregenden Tagen nach der „Öffnung der DDR-Grenze“.* Doch lesen Sie selbst, wie die Sparkasse mit dem Besucheransturm fertig wurde und schließlich das Begrüßungsgeld in Höhe von 100 D-Mark pro Person professionell zur Auszahlung brachte:

Sehr geehrter Herr Präsident,

es ist uns ein besonderes Anliegen, Sie persönlich darüber zu informieren, daß wir am gerade vergangenen Wochenende aus dem Stand heraus die mit der Geldversorgung der DDR-Bürger zusammenhängenden Fragestellungen mit einem großen Kraftakt in jeder Hinsicht bewältigen konnten. Am Freitag haben wir nach Dienstschluß, gegen 17.30 Uhr, unsere Schalter sofort geöffnet; am Sonnabend und Sonntag waren wir dienstbereit von 8.00 bis 22.00 Uhr. In dieser Zeit haben wir über 10.700 Auszahlungen mit einem Gegenwert von über 1 Mio DM vorgenommen. Außerdem stellten wir die Geldversorgung für die Stadt Duderstadt mit über 12 Mio DM auch mittels der LZB Göttingen sicher.

Bei diesem Kraftakt konnten wir eine hohe Motivation unserer Mitarbeiter feststellen, wobei wir uns […] über erhebliche Klippen in Bezug auf Transport- und Versicherungsfragen sowie Bestimmungen der UVV-Kassen hinwegsetzen mußten […] sowohl sämtliche Führungskräfte unseres Hauses als auch der Vorstand persönlich [haben sich] von morgens bis spät in die Nacht, einschließlich Abstimmung mit dem örtlichen Krisenstab, engagiert […] Kassierer wurden sogar mehrmals spät nach Mitternacht eingesetzt.

Mit freundlichen Grüßen
[…]

Im Vergleich zu westdeutschen Großstädten wird nicht ohne Stolz hervorgehoben, dass es weder stundenlange Wartezeiten noch erhebliche Liquiditätsengpässe in Duderstadt gab. Die verhältnismäßig kleine Sparkasse mit seinerzeit etwa 500 Mio. D-Mark Bilanzsumme habe, so das Fazit des Vorstands, „besondere Flexibilität an den Tag gelegt und unter Beweis gestellt“.

Den pragmatischen Umgang mit einer unvorhergesehenen „Marktlage“ honorierte auch die Deutsche Sparkassenzeitung. Am 24. November 1989 berichtete sie unter der Überschrift „Duderstadt bewältigte Ansturm“ von dem erfolgreich gemeisterten historischen Moment in einer Kleinstadt an der deutsch-deutschen Grenze.

 Fortsetzung folgt am 25.11.2019

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*Betreffzeile des Schreibens vom 13.11.1989, das wir im Archiv haben; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 2/2004.
** Auch zum 30. Jahrestag des Mauerfalls 2019 erinnert die Deutsche Sparkassenzeitung u. a. wieder an die Geschehnisse in Duderstadt.

  • Begrüßungsgeldauszahlung an der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg im November 1989. : © Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Anstehen fürs Begrüßungsgeld am Bus der Sparkasse der Stadt Berlin West am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg im November 1989. : © Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Schlange stehen fürs Begrüßungsgeld in der Zentrale der Sparkasse der Stadt Berlin West in der Bundesallee 171 in Berlin-Wilmersdorf im November 1989. : © Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

  • Am S-Bahnhof Köllnische Heide in Berlin-Neukölln wird für die Begrüßungsgeldauszahlung auch ein Sparkassenbus der damaligen Kreissparkasse Aachen eingesetzt. : © Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

Mauerfall und Begrüßungsgeld – Der große Ansturm auf die Zweigstellen der Sparkasse in Berlin

Blogserie, Teil 1

Am 9. November 1989 um 18.00 Uhr beginnt in Ost-Berlin die im DDR-Fernsehen live übertragene Pressekonferenz mit Günter Schabowski, der in diesen Tagen als Sprecher des SED-Zentralkomitees fungiert. Schabowski gibt die neue Reiseregelung bekannt und fügt auf die Nachfrage eines Journalisten, wann die neue Regelung in Kraft treten soll, hinzu: „Sofort, unverzüglich!“. Diese Meldung wird schnell in den Medien verbreitet. Die Nachrichtensendungen der ARD und des ZDF berichten darüber. Bald setzt ein Massenansturm auf die Berliner Grenzübergänge ein und bis gegen Mitternacht wird die Öffnung aller Berliner Übergänge erzwungen.

Bereits am Abend verhandelt in West-Berlin der Senat mit Vorständen der Berliner Banken und in der Nacht verkündet der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, dass ab 10. November bei der Sparkasse und bei allen übrigen Banken im Westteil Berlins Begrüßungsgeld in Höhe von 100 DM an alle DDR-Bürger ausgezahlt wird.

Am 10. November stehen bereits früh die ersten DDR-Bürger vor den Zweigstellen der Sparkasse in den westlichen Bezirken und fragen nach dem Begrüßungsgeld. Per Telefon-Rundruf werden morgens die rund 90 Zweigstellen informiert, damit möglichst pünktlich um 9.00 Uhr die Auszahlung beginnen kann. Aufgrund des immer stärker werdenden Andrangs bilden sich vor vielen Zweigstellen lange Schlangen. Bald wird nicht nur an den Kassen, sondern auch an vielen Schreibtischen an alle Personen, die einen Personalausweis vorlegen, ausgezahlt. Um Mehrfachauszahlungen zu verhindern, werden die Personalausweise mit einem Sparkassen- bzw. Datumsstempel versehen. Der normale Bankbetrieb kommt dabei zum Erliegen.

Am größten ist der Andrang in Zweigstellen, die in der Nähe von Grenzübergängen liegen. Auch Zweigstellen, die zentral gelegen und gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind, wie zum Beispiel am Zoologischen Garten, werden stark frequentiert. An der Gedächtniskirche kommt auf dem Breitscheidplatz zur Entlastung der dortigen Zweigstelle zusätzlich ein Bus der West-Berliner Sparkasse für die Auszahlung des Begrüßungsgelds zum Einsatz. Die Öffnungszeiten der Zweigstellen werden verlängert. Teilweise sind sie bis spät abends und darüber hinaus auch an den Wochenenden geöffnet. Viele Mitarbeiter aus den zentralen Abteilungen helfen aus. Eine große Herausforderung stellt auch die Versorgung der Zweigstellen durch die Sparkassenzentrale mit Bargeld dar. Aber alles läuft ohne größere Probleme ab und wird von einer großen, einmaligen Euphorie getragen.

Bald werden auch zwei weitere fahrbare Zweigstellen eingesetzt. Diese beiden Sparkassenbusse kommen zur Unterstützung von der damaligen Kreissparkasse Aachen und von der Nassauischen Sparkasse nach Berlin.

Ab Ende November stehen bei der Sparkasse nur noch zehn Sonderzahlstellen für das Begrüßungsgeld bereit, die an acht Standorten konzentriert sind. Eingestellt wird die Begrüßungsgeldauszahlung am 29. Dezember 1989. In diesen Wochen hat die Sparkasse im Westteil Berlins insgesamt rund 1,2 Millionen Auszahlungen bearbeitet und damit rund 120 Millionen DM ausgegeben.

Auch im Ostteil der Stadt bilden sich im November und Dezember 1989 lange Schlangen vor den Zweigstellen der Sparkasse. Alle DDR-Bürger, die eine Reiseerlaubnis vorweisen können, und nach der Grenzöffnung ist das praktisch jeder, sind zum Umtausch von 15 Mark der DDR in DM im Verhältnis von eins zu eins berechtigt. Rund 80 Prozent aller Währungsumtausche in Ost-Berlin werden von der Sparkasse durchgeführt. Aufgrund des Andrangs stehen die Menschen stundenlang nach dem Geld an. Um diese Aufgabe bewältigen zu können, müssen viele Mitarbeiter neben ihrer eigentlichen Arbeit zusätzlich in den Zweigstellen aushelfen. Auch am Abend oder an den Wochenenden wird gearbeitet.

Die beiden Berliner Sparkassen haben aufgrund des umfassenden Einsatzes und der führenden Beteiligung bei der Auszahlung des Begrüßungsgeldes und beim DDR-Mark-Umtausch sowie im Juli 1990 bei der DM-Einführung in der DDR im Rahmen der Währungsunion erheblich zum Zusammenwachsen der beiden Stadthälften beigetragen. Zum Jahresende 1990 kommen auch die seit 1948 getrennten beiden Berliner Sparkassen unter dem Dach der neu gegründeten Landesbank Berlin wieder zusammen.

Klaus-Dieter Marten

Historisches Archiv der Berliner Sparkasse

Fortsetzung folgt am 13.11.2019

  • Schlagzeilen aus ost- und westdeutschen Tageszeitungen vom 11. und 12.11.1989. : © Historisches Archiv des OSV

  • Blick in die Kundenhalle der Stadt- und Kreissparkasse Eisenhüttenstadt im Jahr 1989. : © Historisches Archiv des OSV

Mauerfall – Glücksfall: Aufbruch der ostdeutschen Sparkassen in eine neue Zeit

Vorwort zum Serienstart

Heute vor 30 Jahren waren nachts plötzlich die Grenzen offen. Ausgelöst durch einen dahingestammelten Satz, der in die Geschichte einging.

Begonnen hat dieses herausragende historische Ereignis auf einer Pressekonferenz. Gegen 19 Uhr informierte Günther Schabowski in seiner Funktion als Sprecher des Politbüros des ZK der SED über die neue Reiseregelung, „die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen.“ Die Journalisten bohrten nach. Schabowski suchte nach Antworten in seinen Papieren. Offensichtlich fand er so schnell nicht die richtige, schien überfordert. Und so erklärte er auf Nachfrage: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“ und gelte sowohl für die BRD als auch für West-Berlin.

Was danach geschah, bewegte die Welt. Unvergessen sind die emotionalen Bilder von jubelnden, fröhlichen Menschen, die sich an den Berliner Grenzübergängen in den Armen lagen; und nur wenig später von endlosen Autoschlangen gen Westen und von Warteschlangen vor Sparkassen. Ein Land war im Aufbruch, im Umbruch, in der Wendezeit. Die Ereignisse überschlugen sich in den Wochen und Monaten bis zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Was heute galt, konnte morgen schon überholt sein. Die Politik hinkte dem Volkswillen ständig hinterher. Und der machte sich Luft, vor allem auf der Straße.

Diese schnelllebige Zeit nutzten nun auch die 196 DDR-Sparkassen. Für sie war der Fall der Mauer ein ungeahnter Glücksfall. Endlich gab es die Chance, sich von der Staatsbank zu lösen, wieder Eigenständigkeit zu erlangen in Anknüpfung an historische Strukturen. Welche Klippen es für die ostdeutschen Sparkassen zu umschiffen galt, bis ruhigeres Fahrwasser erreicht war, davon wollen wir in einer neuen Blogserie erzählen.

Herangezogen werden dafür Akten aus unserem umfangreichen Archivbestand, Zeitzeugengespäche, Studien und Forschungsbeiträge, Zeitungsartikel, Festschriften sowie Jahresberichte. Spannende Themen, an denen wir die Entwicklungsetappen festmachen können, stellen wir Ihnen in chronologischer Reihenfolge vor. So erleben Sie fast auf den Tag genau, was vor 30 Jahren erdacht, besprochen oder angepackt wurde. Seien es die ersten Treffen zwischen Ost und West, neue Produkte, flächendeckende Schulungsprogramme oder sei es die Einführung der D-Mark, die Idee eines „gemischten Doppels“ für jedes Haus oder die EDV-Umstellung – eine Vielzahl an Herausforderungen wird Ihnen begegnen, die in relativ kurzer Zeit zu bewältigen waren.

Ein ganz besonderer, noch heute beeindruckender Gestaltungswille trieb die Beschäftigten der ostdeutschen Sparkassen an, sich gemeinsam auf den Weg in eine neue Zeit zu machen. Man spürt beim Lesen der alten Unterlagen förmlich die enorme Kraftanstrengung, derer es bedurfte, um eine erfolgreiche Zukunft in einem vollkommen anderen, für die Akteure fremden System zu gestalten. Es lohnt sich also, sich auf eine Reise in die Vergangenheit zu begeben und diese aufregende Umbruchzeit in vertiefenden Beiträgen aufzuarbeiten – nicht zuletzt, da auch Studien nachwiesen, dass die DDR-Sparkassen zu den „wenigen Beispielen von wirklicher Umstrukturierung“ und damit „eindeutig zu den Gewinnern der Wiedervereinigung“ gehören.*

Fortsetzung folgt am 10.11.2019

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*Sparkassen im Wandel – wie Phönix aus der Asche. Teilstudie, ca. 1998 [unvollständige Fassung], Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-Günther 6b/2004.

  • Der Teeziegel (Bildmitte) als Zahlungsmittel erstaunte so manchen Standbesucher. : © Historisches Archiv des OSV

  • Lehrreiches und Amüsantes aus der Geschichte des Naturalgeldes erfuhren die Tagungsteilnehmer beim Grübeln über unseren Quizfragen. : © Historisches Archiv des OSV

Tee ist zum Trinken da oder doch nicht?

Gestern fand in Potsdam der 45. Vertriebsring des Ostdeutschen Sparkassenverbandes statt. Als Praktikantin des Historischen Archivs des Verbandes habe ich an diesem Event teilgenommen und mir die Vorträge von diversen Referenten angehört. Zudem konnte ich mir die verschiedenen Stände der Vertriebspartner anschauen und selbst bei der Standpräsentation des Archivs dabei sein. Neugierige Blicke zog die neue Wanderausstellung „Geldgeschichte(n)“ des Archivs auf sich. Die ausgefallenen Zahlungsmittel, wie z. B. Schneckengehäuse und Samen, aus verschiedenen Epochen und Ländern waren hautnah zu betrachten. Ein kleines Fragespiel führte zur Interaktion mit den Standbesuchern.

Wussten Sie, dass Teeziegel ein gängiges Zahlungsmittel bis ins 20. Jahrhundert in China waren? Eine doch sehr umweltfreundliche Zahlungsmethode.

Nachhaltigkeit, Kommunikation, Digitalisierung und Niedrigzins – diese vier Schlagworte standen bei den Vorträgen im Mittelpunkt. Zudem wurde auch das Image der Sparkassen thematisiert und wie dieses durch neue Werbestrategien und verschiedene Maßnahmen verbessert werden könne.

Das Vorstandsmitglied der Saalesparkasse, Alexander Meßmer, präsentierte in seinem Vortrag „Wurzeln schlagen – Was unsere Sparkasse in der Region erfolgreich macht“ die Meilensteine seines Instituts. In den 30 Jahren nach der Wende hat sich die Saalesparkasse ein hohes Ansehen in der Region erarbeitet. Sie kaufte kürzlich Wohnungen eines Neubaugebietes, was sehr gut bei den Menschen ankam. Geschlossene Filialen wurden umfunktioniert, wie z. B. zu einem Kindergarten oder Konsum. Zudem unterstützt die Saalesparkasse die regionalen Sportvereine mit eigenen Bussen, damit diese ihre Auswärtsspiele mit wenig Aufwand antreten können. Dass der Sparkasse Nachhaltigkeit auch wichtig ist, zeigte die Baumpflanzaktion anlässlich ihres 200-jährigen Jubiläums in diesem Jahr.

Somit geht die Saalesparkasse als gutes Vorbild für andere Sparkassen voran und zeigt, dass selbst in schwierigen Zeiten regionales Engagement unentbehrlich ist und erfolgreich macht.

 

Stefanie Grützner

Praktikantin im Historischen Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes