• Lesezeichenserie der Sparkassen der DDR von 1957 : © Historisches Archiv des OSV

Olympische Spiele & Lesezeichen

Morgen ist bei den 32. Olympischen Sommerspielen in Tokio Halbzeit. Vor 65 Jahren fanden die Spiele im australischen Melbourne statt. Daran erinnert eine schön gestaltete Lesezeichenserie der Sparkassen der DDR, die sich in unserem Archivbestand befindet.

In den 1950er und 1960er Jahren standen die DDR-Sparkassen in Sachen Werbung den westdeutschen Instituten in Nichts nach; weder im Umfang, in der Vielfalt noch in der Gestaltung der Werbemittel. Von Anfang an wurde jedoch viel Wert darauf gelegt, die Jugend für das Sparen zu gewinnen. In jeder Schule gab es sogenannte Schulsparlehrer, die die Spargroschen der Kleinsten einsammelten und dafür Sparkmarken ausgaben. Diese wurden dann fleißig in Schulsparmarkenhefte geklebt. Die Spargelder brachte der Lehrer dann zur Sparkasse. Eine Fülle von kleinen Werbegeschenken, wie Stundenpläne, Lineale, Zirkel, Löschblätter, Stifte u. Ä. motivierte die Schülerinnen und Schüler, in ihrer Spartätigkeit nicht nachzulassen.

Sehr beliebt waren hierbei Lesezeichen. In unserem Archiv haben wir allein 20 verschiedene Serien zu den unterschiedlichsten Themen, wie Sport, Technik, Tiere oder Denkmäler und Hauptstädte Europas.

Die abgebildeten Lesezeichen zeigen drei Olympiasiegerinnen der Sommerspiele von 1956. Die Rückseiten enthalten neben den Siegerinnen der letzten Jahre in der jeweiligen Sportart, kleine Anekdoten aus dem Leben der Sportlerinnen. So erfährt man z. B. über Ursula Happe, der Siegerin im 200-m-Brustschwimmen, dass sie bereits Mutter zweier Kinder ist. Oft habe sie schon einige Trainingseinheiten absolviert, bevor sie ihre Kinder zur Schule brachte.

Über die tschechische Diskuswerferin Olga Fikotova (Bildmitte) wird berichtet, dass die „äußerst graziöse Medizinstudentin “ nach den Spielen den amerikanischen Olympiasieger im Hammerwerfen, Harold Conolly, geheiratet habe, zu ihm nach Boston übergesiedelt sei, aber weiterhin Staatsbürgerin der CSR geblieben ist. Die Siegerin im 80-m-Hürdenlauf, Shirley Strickland aus Australien (rechtes Lesezeichen), führe ihre Schnelligkeit auf das Jagen von Kängurus auf der Farm ihres Onkels zurück.

  • Zwei von 138 - unser Bestand an Spardosen ist seit der letzten Zählung um mehr als ein Drittel gewachsen. : © Thomas Imo/photothek.net

Die Zahlen steigen …

und soweit das unseren Archivbestand betrifft, finden wir das durchaus positiv.

Seit dem Start des Sparkassengeschichtsblogs im Oktober 2014 und der letzten Aufstellung haben sich in unserem Archivmagazin viele Regale, Archivschachteln, Schränke, Schuber und anderes mehr auf wunderbare Weise weiter gefüllt.

Großen Anteil am Archivzuwachs hatten die Übernahmen von zwei vollständigen historischen Sparkassenarchiven. Insgesamt 120 Regalmeter an Akten konnten wir als sog. Deposita – das heißt die Sparkassen bleiben Eigentümer des Bestandes, erlauben jedoch Erschließung und Nutzung – in unser Archiv integrieren.

Auch der Bestand an Sammlungsgut ist in nahezu allen Kategorien gestiegen. Hier die wichtigsten Zahlen der aktuellen Zählung:

  • 1.672 Sparbücher
  • 45 Maschinen
  • 1.110 Geldscheine
  • 439 Münzen
  • 898 Plakate
  • 138 Spardosen
  • 438 Dias
  • 7.035 inhaltserschlossene Fotos
  • 100 Werbe- und Informationsfilme der Sparkassenorganisation

Ein Großteil der aufgeführten Archivalien ist bereits digitalisiert und steht durch das Einpflegen in ein Digital-Asset-Management-System unkompliziert per Mausklick zur Verfügung.

  • Das zentrale Werbemotiv der Sparkassenorganisation konnte nun auch von den Ost-Sparkassen verwendet werden. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

Weltspartag 1990 – die Ost-Sparkassen feiern wieder mit

Der Weltspartag hat eine lange Tradition. Ausgerufen 1924 in Mailand auf dem Ersten Internationalen Sparkassenkongress, sollte er als Feiertag des Sparens ein wichtiges Signal für den wirtschaftlichen Neuanfang nach der Inflationszeit sein.

Seitdem wird er jedes Jahr Ende Oktober von den meisten Banken und Sparkassen begangen. Auch die Sparkassen in den ostdeutschen Bundesländern nahmen am 30. Oktober 1990 die Tradition wieder auf.

Von Hagenow bis Chemnitz und von Nordhausen bis Görlitz – überall wurde im Vorfeld kräftig die Werbetrommel gerührt. Es gab Zeitungsanzeigen, Postwurfsendungen, Plakate, Radiospots und vieles mehr. Die Sparkassen nutzten alle Kanäle der Kundenansprache und waren damit erfolgreich. Die zahlreich erschienenen Kundinnen und Kunden sowie alle Interessierten konnten sich am Tag selbst über kleine Werbegeschenke, Kulturveranstaltungen und Preisauslosungen freuen. Mancherorts hatte der Weltspartag sogar Volksfestcharakter.

Wie zum Beispiel bei der Sparkasse Erfurt. Auf dem Anger vor dem Erfurter Dom stand eine große Bühne, auf der mehrere Musikgruppen auftraten und Podiumsgespräche mit Sparkässlern stattfanden; Marktstände, ein Straßenzirkus und eine Puppenbühne rundeten das Bild ab.

Neben den vielen Vergnügungen spielte auch die finanzielle Beratung der Kundinnen und Kunden eine wichtige Rolle. So stand auf dem Erfurter Anger eine mobile Sparkassenfiliale, in der man sich über die neueingeführten Sparkassenprodukte ausführlich aufklären lassen konnte.

Die Sparkasse in Halle nutzte den Weltspartag 1990 zum großen Teil für den Aufbau von Partnerschaften für das Jugendmarketing. Sie organisierte in verschiedenen Wohngebieten Kinderfeste und bezog die ansässigen Schulen mit ein.

Alle Sparkassen berichteten im Nachgang von gelungenen Veranstaltungen und freuten sich über die positive Resonanz der Teilnehmenden. Der Weltspartag war im Osten wieder angekommen.

Auch wenn heutzutage die klassischen Sparformen wenig ertragreich sind, ist es sicher kein Fehler, den Weltspartag zum Anlass zu nehmen, sich über seine Vermögensbildung und Altersvorsorge Gedanken zu machen.

  • Die Veranstaltung wurde ausgiebig promotet. Den Zeitungsanzeigen waren praktischerweise Anmeldeabschnitte beigefügt. : © Neue Zeit vom 25.08.1990, Bestand: Historisches Archiv des OSV

  • Die architektonisch interessante Kongresshalle am Alexanderplatz existiert auch heute noch, allerdings unter dem Namen bcc. Seit 1964 finden hier Veranstaltungen aller Art statt. : © Andreas Steinhoff

  • Den Teilnehmern wurde ein umfangreiches Programm geboten. : © Historisches Archiv des OSV

Ein Tag für Existenzgründer

Blogserie, Teil 54

Heute vor 30 Jahren fand in der Kongresshalle am Alexanderplatz in Berlin ein vielbeachtetes und von allen Seiten gelobtes Event statt. Beate Martin, seinerzeit Verbandsdirektorin für Kredite des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes und Mitorganisatorin, fasst den Tag wie folgt zusammen:

Viele ostdeutsche Sparkassen haben schon Existenzgründerver­anstaltungen in ihren Kreisen organisiert und damit angezeigt, daß sie ihren öffentlichen Auftrag im Territorium Spargelder zu sammeln und ‚der örtlichen Kreditversorgung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes‘ zu dienen, erfüllen wollen.

Der ‚Tag der Existenzgründer‘ in Berlin sollte für alle Sparkassen eine Anregung sein, in diesem Stile eigene Veranstaltungen durchzuführen.

Die Veranstaltung wurde vom Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband gemeinsam mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband vorbereitet. Ca. 500 Teilnehmer folgten interessiert den Ausführungen der drei Hauptredner:

  • Rainer Voigt, Präsident des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes zum Thema: ‚Die Sparkassen: Berater für Existenzgründer‘
  • Klaus Beckmann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (MdB) zum Thema: ‚Perspektiven für Existenzgründer‘
  • Dr. h.c. Helmut Geiger, Präsident des Deutschen Sparkassen­ und Giroverbandes zum Thema: ‚Die Sparkassenorganisation vor neuen Herausforderungen‘.

In den Referaten kam zum Ausdruck, daß in den fünf neuen Bundesländern die Gründung neuer Existenzen und damit die Entwicklung der klein- und mittelständischen Wirtschaft explosionsartig vor sich gehen wird. Die Sparkassen sehen hier ihre Aufgabe nicht ausschließlich in der finanziellen Beratung, sondern wollen den Existenzgründern mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln eine umfassende Beratung für den Aufbau ihrer Unternehmen bieten. Dazu gehören auch die insbesondere zu diesem Tag der Existenzgründer mit den Partnern aus der Sparkassen-Finanzgruppe demonstrierten Möglichkeiten der umfassenden Information potentieller Sparkassenkunden.

Den Teilnehmern standen von erfahrenen Referenten neun Fachvor­träge zur Auswahl bereit. Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Vertreter von Sparkassen und der Deutschen Ausgleichsbank informierten die Zuhörer über Preis- und Kostenfragen, über Marktchancen und -risiken, über Steuerfragen und das Arbeitsrecht, über öffentliche Mittel und Kreditfinanzierung bei der Sparkasse, über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Rechtsformen u. a.

Am ‚Treffpunkt mit den Referenten‘ konnten sich die Existenzgründer mit ihren vielfältigen Einzelfragen nochmals oder tiefgehender zum jeweiligen Thema beraten lassen.

Der Deutsche Sparkassenverlag war mit einem Literaturstand vertreten, der ständig dicht umlagert war. Die interessanten und preiswerten Broschüren wurden von den Existenzgründern gelobt und fanden ihre Abnehmer.

Für einen Existenzgründer ist an sich schon vieles neu, für Existenzgründer in Ostdeutschland ist das Informationsbedürfnis besonders groß. Daher waren die weiteren Informationsstände zu den Themen ‚Europa-Beratung‘, ‚Datenbankdienste‘ und ‚Branchendienst‘ von interessierten Fragestellern stets besetzt. Auch die Leasinggesellschaft der Sparkassen GmbH und die Deutsche Anlagen Leasing GmbH waren vertreten.

Alle Standbetreuer sind aus der westdeutschen Sparkassen-Fi­nanzgruppe gekommen und haben vom frühesten Morgen (Aufbau der Stände ab 3.00 Uhr – Abbau der Ausstellung ab 18.00 Uhr) dort ihren Mann gestanden. Dafür soll ihnen auch auf diesem Wege hier öffentlich Dank und Anerkennung gezollt werden.

Nicht weniger gefragt waren die über zwanzig Mitarbeiter aus der Sparkasse der Stadt Berlin und aus Sparkassen rund um Berlin – von Weißwasser bis Potsdam, von Pasewalk bis Königs Wusterhausen. Hier haben die Sparkassenmitarbeiter als Firmenkundenberater gleich den ersten Geschäftskontakt zur Sparkasse hergestellt.

Auffällig am Kreis der Existenzgründer war, daß die Altersstruktur im Wesentlichen um die 40 Jahre lag. Es sind also vorwiegend Menschen, die im Zuge der wirtschaftlichen Umgestaltung in Ostdeutschland aus den alten Strukturen herausbrechen und oftmals mit den bisherigen Arbeitskollegen eine neue Existenz aufbauen wollen. Da sind die Maurerbrigade, die Mitarbeiter eines kleinen Zweigbetriebes, die Angestellten einer HO-Gaststätte, das Architektenbüro, die gemeinsam selbständig werden wollen. Da sind auch viele Einzelpersonen, die ihre Chance in der Selbständigkeit sehen.

Der Tag der Existenzgründer war für Teilnehmer wie auch Ver­anstalter ein voller Erfolg.*

Fortsetzung am 03.10.2020

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* Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-E 825.

  • Das Informationsbedürfnis der Ostdeutschen nach der Währungsunion in Sachen Geld & Finanzen war sehr groß. Da kam eine wöchentliche Fernsehsendung speziell zu diesen Themen gerade recht. : © DDR Museum Berlin

Rund ums Geld – Finanztipps in (Fernseh-) Serie

Blogserie, Teil 53

Als man heute vor 30 Jahren um 19:00 Uhr den Fernseher einschaltete und dann den Sender DFF 2* wählte, flimmerte die erste Folge der Ratgebersendung Rund ums Geld in die ostdeutschen Wohnzimmer. Zwanzig Minuten lang brachten der Moderator Jürgen Faust und als Experte Hans-Michael Heitmüller vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband den „Neubürgern“ das Wichtigste zum Thema Ihr persönliches Girokonto nahe.

Damit startete eine 26-teilige Ratgeber-Fernsehserie im Deutschen Fernsehfunk, die ausschließlich von der Sparkassenorganisation mitgestaltet und mitfinanziert** worden ist. Heutzutage undenkbar.

In dem Konzept zur TV-Serie wurde der Inhalt wie folgt beschrieben: Die Sendereihe gibt Tips und Erklärungen zum Thema „Geld“ und soll die Zuschauer auch über die aktuellen Rechtsfragen informieren. Begriffe wie Girokonto, Überziehungskredit, Tilgung, Umschuldung, Finanzierungsformen usw. werden für den privaten Haushalt erklärt. Kleinen Gewerbetreibenden und Handwerkern werden Informationen u. a. über Steuern, Finanzbedarf, Umlaufkapital, Kapitalreserve, ERP-Kredite gegeben. Das Thema Finanzdienstleistungen und Vermögensbildung runden den Themenkreis ab.***

Dabei stammte die Idee zur Sendereihe nicht aus der Sparkassenorganisation. Die Fernsehproduktionsfirma FIMAG AG Zürich bot Mitte 1990 dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband die Konzeption und Durchführung der TV-Serie an. Der Deutsche Fernsehfunk stellte indes einen attraktiven Sendeplatz vor der Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens zur Verfügung. Einmal wöchentlich sollte nun das große Informationsbedürfnis der DDR-Bevölkerung in Sachen Geld**** befriedigt werden.

Zum Sendeablauf jeder Folge gehörte eine einleitende Spielszene mit einer exemplarischen Familie, die ein finanzielles Problem hatte. Danach bereiteten der Moderator und der Experte der westdeutschen Sparkassenorganisation das Thema auf und gaben Ratschläge sowie nützliche Tipps. Zu guter Letzt konnten die Zuschauer zu den Sendungen noch Informationsbroschüren bestellen. In Teil 11 der Serie mit dem Titel Haushalten mit dem Geld – Auskommen mit dem Einkommen, Erstausstrahlung am 7. Dezember 1990, sah das wie folgt aus: Mutter Hoffmann kommt frustriert nach Hause, weil das Brot schon wieder teurer geworden ist. Unglücklicherweise geht in diesem Moment auch noch der Kühlschrank mit einem lauten Knall kaputt. Mutter und Tochter fragen sich, wie sie die zusätzlichen Ausgaben mit dem bestehenden Einkommen bestreiten sollen. Daraufhin schlägt der pfiffige Sohn die Führung eines Haushaltsbuches vor.*****

Das Besondere an dieser Ratgeberserie war, dass diese ausschließlich aus Sponsoringmitteln finanziert wurde. Sie musste dem Deutschen Fernsehfunk kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Produktionskosten der FIMAG AG Zürich lagen bei ca. 4.000 DM pro Sendeminute bzw. 60.000 DM pro Sendung. Das bedeutete, auf die Sparkassenorganisation kamen hier Gesamtkosten von ungefähr 1,5 Millionen DM zu. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband entschied sich dennoch für die Finanzierung, da Ratgebersendungen in der DDR sehr beliebt waren und regelmäßig hohe Einschaltquoten verzeichneten. Des Weiteren wurden die Vorteile einer positiven Imagebildung und -pflege erkannt sowie die Notwendigkeit, der aufkommenden Konkurrenz durch Großbanken Einhalt zu gebieten.

Ab Folge 4 Möglichkeit des bargeldlosen Zahlens war der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband inhaltlich an den Drehbüchern beteiligt; später dann für einen gewissen Zeitraum auch an der Finanzierung.******

Die Sendereihe Rund ums Geld wurde bis zum 19. Dezember 1991 ausgestrahlt; jedoch im Laufe des Jahres 1991 mit geändertem Layout und Konzept sowie einem neuem Sponsor aus dem Privatbankensektor. Die letzte Folge trug den Titel Aufschwung im Osten.

Fortsetzung am 23.09.2020

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*DFF 2 war das 2. Programm des Deutschen Fernsehfunks (DFF; zwischen 1972 und 1990 Fernsehen der DDR), dem staatlichen Fernsehen der DDR. Der Sendebetrieb des DFF wurde am 31. Dezember 1991 um Mitternacht eingestellt.

**In: Sparkassen-Werbedienst, Nr. 12/1990, S. 269.

***Vermerk zum Konzept einer TV-Serie zum Thema „Geld“ vom 19. Juli 1990. Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn.

****ebd.

*****Vgl. Rund ums Geld F 11 vom 07.12.1990. Bestand: Deutsches Rundfunkarchiv, ID/Produktionsnummer 078452.

******Aus zeitlichen Gründen konnte der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband erst später in die inhaltliche Konzeption mit eingebunden werden. Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-80/2004.

  • Mit Informationsblättern vom Deutschen Sparkassenverlag konnten sich die Kundinnen und Kunden über die neuen Vordrucke informieren. : © Historisches Archiv des OSV

Alles neu im Zahlungsverkehr – Teil 2

Blogserie, Teil 35.2

Ein wichtiger Schritt in Richtung eines einheitlichen Zahlungsverkehrs-systems beider deutscher Staaten war die Vergabe neuer Bankleitzahlen für die Kreditinstitute der DDR. Diese konnten ab April 1990 bei der Deutschen Bundesbank beantragt werden und galten ab dem Tag der Währungsunion.* Die insgesamt 8-stellige Nummer enthielt in den ersten drei Ziffern den Bankbezirk, in welchem das Geldinstitut seinen Sitz hatte, z. B. 140 für Rostock oder 850 für Dresden. An vierter Position stand die Institutsgruppe, z. B. 5 für Sparkassen. Die letzten vier Stellen waren mit den ersten Ziffern der alten DDR-Kontonummernsystematik identisch.

Des Weiteren wurden Anfang Juni 1990 in der Vereinbarung über die Abwicklung des Zahlungsverkehrs nach der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zahlreiche Festlegungen getroffen, um die innerdeutschen Zahlungsströme trotz der gegensätzlichen Systeme für die Übergangszeit bis zum 31.12.1991 überhaupt ermöglichen zu können. Grundlage der Vereinbarung war eine schrittweise Anpassung der DDR-Institute an den West-Standard mit möglichst wenig Übergangsrecht, um doppelte Umstellung zu vermeiden.**

Die wichtigsten Regelungen sahen in Kürze so aus: Alle westdeutschen Kreditinstitute sowie die Sparkassen der DDR, welche im Laufe der Übergangszeit auf die neue EDV übergeleitet worden waren, verpflichteten sich, ihre beleghaft aufkommenden Zahlungen für die ESER-Kreditinstitute in Datensätze umzuwandeln.*** Beleglose Zahlungen ließen sich dagegen mittels bestimmter Umsetzungsprogramme weiterverrechnen. Da in den ESER-Datensätzen jedoch nicht alle Informationen abgebildet werden konnten, wie z. B. Auftraggeber, Empfängername und Verwendungszweck, mussten den Empfängerbanken zusätzlich Drucklisten zur Verfügung gestellt werden.

Die Abwicklung von Zahlungsströmen von Ost nach West bzw. vom ESER-System an Kreditinstitute westdeutschen Standards konnte hingegen nur mittels Belegen und Datensätzen westdeutscher Norm erfolgen. Das führte zu einem starken Ansteigen des beleghaften Zahlungsverkehrs, da weder die ESER-Dateien noch die ESER-Belege für eine Weiterverarbeitung nach West-Standard geeignet waren.

Man kann sich vielleicht vorstellen, dass hier der Teufel im Detail steckte. Bei der Umsetzung der Vereinbarungen in die Praxis standen die Sparkassen vor erheblichen Schwierigkeiten, nicht zuletzt deshalb, weil auf sie bislang etwa 65-70 % aller Buchungsposten im Banksystem der DDR entfielen.****

Die schiere Menge an Zahlungsvorgängen nach der Währungsunion, auch hervorgerufen durch den Auftragsaufschub aufgrund des zwischen dem 1. und 8. Juli 1990 ruhenden Zahlungsverkehrs, brachte die Sparkassen an ihre Grenzen. Dazu kamen die Umgewöhnung aller Beteiligten an neue Zahlungsverkehrsabläufe, fehlerhaftes Ausfüllen der neuen Vordrucke durch die Kunden und erhebliche Postlaufzeiten.

Der Unmut der Kundschaft, besonders bei Verzögerungen von Lohn-, Gehalts- und Rentenzahlungen, war sogar Gegenstand der Presseberichterstattung. Firmeninhaber riefen die Belegschaft auf, ihre Gehaltskonten von der Sparkasse abzuziehen. Das Versandhaus Quelle schrieb an den Präsidenten des Sparkassenverbandes der DDR wegen Ausbleibens beträchtlicher Zahlungen von bestellter Ware durch DDR-Bürger. Die Liste ließe sich leicht fortführen … ***** Selbst den damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel erreichten Beschwerden.

Allein zwischen Juli und September 1990 waren 264 000 fehlerhafte Zahlungen aufgelaufen. Das entsprach einer Fehlerquote von 4,8 %. ****** Diese zu senken und die massenhaft ungeklärten Posten zu korrigieren, war das Anliegen zahlreicher Expertengespräche. Neben Personal-aufstockungen wurden weitere Maßnahmen ergriffen, wie z. B. das Einrichten eines eigenen Kurierdienstes für den schnellen Belegtransport oder die Integration der ostdeutschen Sparkassen in das Clearing-System, und damit in den Verbund der Datenfernübertragung der gesamten Sparkassenorganisation.

Nach und nach zeigten die Maßnahmen Wirkung. Im dritten Quartal 1991 gelang es, die langen Laufzeiten der Zahlungsvorgänge auf das bei deutschen Kreditinstituten übliche Maß zu verringern.*******

Fortsetzung am 21.06.2020

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* Die Zusammensetzung der zukünftigen Bankleitzahlen wurde zwischen der Staatsbank der DDR und der Deutschen Bundesbank vereinbart. Sie garantierte eine Konvertierung von alt in neu bzw. von neu in alt. Vgl. Schreiben des Sparkassenverbandes der DDR an die Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen des Sparkassenverbandes der DDR vom 23.04.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

** Vgl. Schreiben des Sparkassenverbandes der DDR an die Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen und die Direktoren der Sparkassen vom 15.06.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

*** Zur Erinnerung: Der Zahlungsverkehr in der DDR war seit 1972 zu 100 % beleglos. Ausgenommen von der Verpflichtung waren Eilüberweisungen der Bundesbank, Platzüberweisungen und Schecks.

**** Geiger, Walter/ Günther, Hans-Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 223

***** Vgl. Schreiben des Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Oranienburg an den Präsidenten des OSGV vom 2. Januar 1991 zum Stahlwerk Hennigsdorf sowie Schreiben des Großversandhaus Quelle an den Präsidenten des Sparkassenverbandes der DDR Rainer Voigt vom 6. August 1990 wegen nicht eingegangener Zahlungen, Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAP-E 698, HAP-E 699

****** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 225

******* Jahresbericht 1990/1991. Hrsg. v. Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband, Berlin, 1992, S. 22