• Zum Schutz vor Einbrüchen wurden für die Sparkassen der DDR die Vorschriften zur Gitterstärke für Fenster und Türen sowie notwendige Querverstrebungen ständig aktualisiert. Die Umsetzung gestaltete sich durch die Mangelwirtschaft jedes Mal als Kraftakt und erforderte von Leitern kreativen Lösungen. : © KSK Delitzsch 1990, Historisches Archiv des OSV

  • In den 1960er Jahren entstanden in den Sparkassen der DDR helle und kundenfreundliche Filialen. Doch die Freude darüber währte nicht lange. Als Täter bei einem Überfall den Schaltertresen übersprangen, entstanden neue Vorschriften zum Aufbau schützender Fronten. : © Historisches Archiv des OSV

„Nunmehr müssen auch wir mit einer zunehmenden Kriminalität […] rechnen.“*

Blogserie, Teil 33

Am 28. Mai informiert der Sparkassenverband der DDR erstmals ausführlich über notwendige „Sicherungsmaßnahmen in Sparkassen“. Künftig ist diesem Thema, so heißt es im Rundschreiben, „eine besondere Bedeutung beizumessen“. Denn: „Die westdeutschen Kreditinstitute sind in den vergangenen Jahrzehnten der stark zunehmenden Kriminalität mit breitgefächerten Sicherungsmaßnahmen erfolgreich entgegengetreten“. Zu schützen sind einerseits Mitarbeiter und Kunden, andererseits Bargeld und sonstige Werte.

Es wird darüber informiert, dass es in der Bundesrepublik  an die Sicherungsanforderungen in Geldinstituten verbindliche Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherungsträger und der Sachversicherungsgesellschaften gibt. Seit 1967 sei die Sicherung aller Haupt- und Zweigstellen westdeutscher Kreditinstitute gegen Banküberfälle vorzunehmen. Der Sparkassenverband erwartet, dass „in der DDR vergleichbare Vorschriften erlassen werden.“ Kostenintensive Investitionen sollten zwar in der Übergangszeit vermieden werden, doch jede Sparkasse müsse nun „in ihrer Verantwortung für Mitarbeiter und Kunden die erkennbaren sinnvollen und kostenmäßig vertretbaren Sicherungsmaßnahmen durchführen.“ Empfohlen wird, bei Neueinrichtungen von Kundenhallen und sonstigen Investitionen die entsprechenden Bestimmungen zu beachten, die im „Sicherheitshandbuch“ des Deutschen Sparkassenverlages festgehalten sind.*

Als das Rundschreiben erscheint, laufen die Vorbereitungen zur Währungsunion bereits auf Hochtouren. Ein Umrüsten auf den neuesten Stand der Technik nach bundesdeutschen Maßstäben ist bis zum 1. Juli 1990 illusorisch – das ist den Sparkassenleitern bewusst. Zudem hatte sich auf dem Gebiet der Sicherheit bis 1989 mit dem „Handbuch der Sparkassenarbeit, Teil 25: Sicherheit und Geldversorgung“ ein umfangreiches Regelwerk herausgebildet. Nach jedem neuen Vorfall wurde es aktualisiert. So gab es für Tresore, Außengitter an Türen und Fenstern, Schlösser, Alarmanlagen, Pkws zum Geldtransport etc. schon seit Jahren präzise Vorschriften. Doch würden die in der Vergangenheit getroffenen Maßnahmen ausreichen, wenn die D-Mark erst einmal Einzug gehalten hatte? Immerhin könnte die harte Währung ganz andere Begehrlichkeiten wecken …

Tatsächlich zeigt sich die im Rundschreiben angekündigte „besondere Bedeutung“ von Sicherungsmaßnahmen sofort nach Einführung der D-Mark. Der erste Überfall ereignet sich bereits am 6. Juli 1990. Und auch wenn dieser zu einer „peinlichen Pleite für den Täter“** wird, entwickelt sich diese Art der Kriminalität in der Folgezeit zu einem ernstzunehmenden Problem. Das Gebiet der DDR wird zu einem wahren Paradies für professionelle Bankräuber. Weist die Statistik von 1975 bis 1989 gerade einmal 32 Raubüberfälle auf Sparkassenfilialen und etwa zehn Einbruchversuche jährlich aus, muss nun mit einer drastischen Zunahme umgegangen werden.*** Im Durchschnitt hat die Polizei pro Tag mit vier Banküberfällen bzw. Versuchen zu tun. Ein Kripomitarbeiter beschreibt es rückblickend als „total neues Phänomen“.**** Denn die Täter organisieren und bewaffnen sich, sind zunehmend gewaltbereit. Im Visier haben sie besonders kleinere, ländlich und in der Nähe der Autobahn gelegene Sparkassenstellen, die sich möglichst weit entfernt von der nächsten Polizeidienststelle befinden.*****

Allein in Brandenburg werden bis Jahresende 40 Raubüberfälle auf Sparkassen, Banken und Poststellen registriert. Zwei Millionen D-Mark erbeuten die Täter.****** Insgesamt weist die Statistik für Ostdeutschland 184 Raubüberfälle auf Sparkassen im 2. Halbjahr 1990 aus. Dringender Handlungsbedarf zeichnet sich ab, verbunden mit Kosten in Millionenhöhe. Es fehlen insbesondere optische Raumüberwachungs- sowie Überfall- bzw. Gefahrenmeldeanlagen.******* Auch Sicherheitsverglasung für die Kassenschalter muss nachgerüstet werden. Die DDR-Sparkassen können sich die Investitionen in die technische Ausstattung und in Gebäude dank des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion leisten. Denn Verhandlungen im Vorfeld sichern den Geldinstituten eine „gute betriebswirtschaftliche Ausgangsposition“ und ab dem 1. Juli 1990 ausreichend Eigenkapital für ihre ambitionierten und dringend notwendigen Vorhaben.********

So wird zum Schutz der Beschäftigten und Kunden vielerorts bereits im Herbst mit dem Einbau moderner Sicherungstechnik begonnen. Ziel ist es, „in kürzester Frist“ den Sicherheitsstandard der Bundesrepublik zu erreichen, betont ein Sprecher des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes – ehem. Sparkassenverband der DDR – gegenüber der Presse im November 1990.*********

Fortsetzung am 10.06.2020

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*Rundschreiben an alle Bezirksgeschäftsstellen und Sparkassen der DDR, 28.5.1990, Bestand: Historisches Archiv des OSV, Rundschreiben 1990.

**Die mit einem pistolenähnlichen Gegenstand bedrohte Kassiererin packt dem Bankräuber geistesgegenwärtig 2.000 Mark der DDR ein. Der etwa 35-jährige Täter glaubt D-Mark in der Tasche zu haben und flüchtet zu Fuß. Anderthalb Stunden später ist seine Beute wertlos. Denn die Geldinstitute schließen die Annahmestellen für DDR-Geld. Quelle: Neue Zeit, Jg. 46, Ausg. 157, 9.7.1990, S. 6.

***Vgl. Wysocki, Josef ; Günther, Hans-Georg: Geschichte der Sparkassen in der DDR 1945 bis 1990, Stuttgart 1996, S. 429; Bildinformationen ebd. S. 428. | Die bundesdeutsche Fachwelt kommt in den 1980er Jahren zu dem Ergebnis: „In der DDR ist es gelungen, die Gewaltkriminalität in Grenzen zu halten. Dabei spielt u. a. das staatliche Waffenmonopol eine beträchtliche Rolle. Bewaffneter Bankraub und Geiselnahme kommen nicht vor.“ Vgl. Voigt, Dieter (Hg.): Die Gesellschaft der DDR, Untersuchungen zu ausgewählten Bereichen, Berlin 1984. S. 80. | Zum Vergleich: Die Polizeiliche Kriminalstatistik des BKA weist 1990 folgende Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland aus: insgesamt 2077 Diebstähle und 18 Raubüberfälle, davon 3 Versuche, auf Banken, Sparkassen, Poststellen und dgl. Damit ist die Zahl der Diebstähle gegenüber 1989, mit insgesamt 2194, leicht rückläufig. Das BKA verzeichnet bei Diebstählen zudem einen sehr hohen Versuchsanteil und eine Häufung in Gemeinden bis 20.000 Einwohner.

****Behling, Klaus: Bankraub in Serie, S. 203, in: Der Lustmörder aus dem Erzgebirge. Wahre Gewaltverbrechen aus Ostdeutschland 1989-2019. Berlin 2020. – Unser Buchtipp!

*****„Da werden massenhaft kleine Sparkassen überfallen und ausgeraubt, zum Beispiel eine südlich Berlins nahe einer Autobahn. Eine halbe Million DM weg. Die Bankräuber entkamen mit schnellen Westautos über die Autobahn mühelos […] Müssen wir erst Bürgerwehrmilizen aufbauen und bewaffnen, um die Schrecknisse hemmungslos freigesetzter krimineller Energie zu bannen?“, stellt ein Leser der „Neuen Zeit“ im November 1990 empört fest und fragt: „Wo ist unsere Polizei geblieben?“, Quelle: Neue Zeit, Jg. 46, Ausg. 269, 17.11.1990, S. 22.

******Quelle: Überfall-Billanz, in: Berliner Zeitung, Jg. 46, Ausg. 297, 20.12.1990, S. 21.

*******Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-75/2004. | Im Januar 1991 bilanziert die „Neue Zeit“: „Der ‚wilde Osten‘ zieht immer noch massenhaft Straftäter an. Dabei schlugen bisher die Banküberfälle alle Rekorde. Seit der Währungsunion am 1. Juli 1990 bis kurz vor Weihnachten wurden knapp 150 Überfälle gezählt. Allein nach der Wiedervereinigung ereigneten sich im Oktober 32 und im November 54 Banküberfälle. Durchschnittlich erbeuteten die Täter 44 000 Mark, wie das Gemeinsame Landeskriminalamt (GLKA) für die neuen Bundesländer feststellte […] Viele Täterspuren führen in die alten Bundesländer oder ins Ausland […]“; Quelle: Neue Zeit, Jg. 47, Ausg. 2, 3.1.1991, S. 5.

******** Vgl. Schnellinformationen des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Nr. 60, Bonn, 31. Mai 1990, S. 2; Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn.

*********1991 wird durchschnittlich noch immer jede siebte ostdeutsche Sparkasse überfallen, im Westen ist es im Vergleich dazu nur jede 54. Filiale. Quelle: Neue Zeit, Jg. 48, Ausg. 14, 17.1.1992, S. 8. | Doch modernisierte Geschäftsstellen mit hohen Sicherheitsstandards mindern das Überfallrisiko, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende der Mittelbrandenburgischen Sparkasse Potsdam 1994. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung einer schnelleren Bearbeitung von Bauanträgen. Quelle: Neue Zeit, Jg. 50, Ausg. 13, 17.1.1994, S. 19. | Bis 1995 sinkt schließlich „die Zahl der Überfälle kontinuierlich auf ein Drittel der im 2. Halbjahr 1990 und im Jahre 1991 stattgefundenen Überfälle.“ Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 358.

  • Berufs- und Leistungsbild des Verbandsprüfers des Sparkassenverbandes der DDR vom 26. Juli 1990 : © Historisches Archiv des OSV

  • Berufs- und Leistungsbild des Verbandsprüfers des Sparkassenverbandes der DDR vom 26. Juli 1990 : © Historisches Archiv des OSV

Die Einrichtung der Prüfungsstelle

Blogserie, Teil 32

Die Prüfung der Sparkassen gehört traditionell zu den Aufgaben der regionalen Sparkassenverbände. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts waren Verbandsprüfer im Gebiet des Ostdeutschen Sparkassenverbandes unterwegs. 1952 schaffte das SED-Regime die Verbände ab. Erst mit der Gründung des Sparkassenverbandes der DDR in der Wendezeit bekamen die Sparkassen wieder eine Prüfungsstelle ihres Verbandes. Gemäß § 11 der Verbandssatzung vom 20. März 1990 war festgelegt:

„(1) Der Verband übt die Prüfung der Mitgliedssparkassen auf der Grundlage einer Prüfungsordnung über eine Prüfungsstelle aus. Die Prüfungsstelle ist bei der Durchführung von Prüfungen unabhängig und nicht an Weisungen der Verbandsorgane gebunden, die den Umfang, die Art und die Weise oder das Ergebnis der Prüfung betreffen.

(2) Der Prüfungsstelle obliegt die Jahresabschlußprüfung und die Durchführung der thematischen Prüfungen der Mitgliedssparkassen. Auf Antrag der Mitgliedssparkassen sowie der zuständigen örtlichen Räte können weitere Prüfungen vorgenommen werden.

(3) Die Revisionsergebnisse sind vor Vertretern des zuständigen örtlichen Rates sowie der Leitung der geprüften Sparkasse auszuwerten.

(4) Für die Jahresabschlußprüfungen und die Prüfungen auf Antrag werden Gebühren erhoben. Der Verbandsrat regelt die Gebühren.“*

Bei seiner ersten Sitzung am 17. April 1990 berief der Verbandsrat unter dem Vorsitz von Rainer Voigt den Leiter der Prüfungsstelle. Erhard Pötzl war vorher bei der staatlichen Finanzrevision für Sparkassenrevisionen verantwortlich gewesen. Er erhielt den Auftrag, die Prüfung der Sparkassen durch den Sparkassenverband der DDR auf Grundlage einer Prüfungsordnung zu organisieren. Das Ziel war, die Arbeitsfähigkeit der Prüfungsstelle bis zum 30. Juni 1990 herzustellen.** Bereits bei der folgenden Sitzung am 23. Mai 1990 konnte der Verbandsrat eine vorläufige Prüfungsordnung verabschieden.*** Sie wurde aufgrund der geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen mit der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion ersetzt. Die neue Version vom 1. August entstand in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Die Unabhängigkeit und Eigenverantwortung der Prüfungsstelle war nun klar festgeschrieben und gewährleistet, dass etwa das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Prüfungsordnung akzeptierte.**** Weil die Ordnung den Standards der Bundesrepublik Deutschland entsprechen musste, hatte der Leiter der Prüfungsstelle öffentlich bestellter Wirtschaftsprüfer zu sein. Auch die Anforderungen an die Prüfer hatten sich geändert.

„Die Prüfer müssen persönlich und fachlich geeignet sein. Mit der selbständigen Durchführung von Prüfungen dürfen grundsätzlich nur solche Prüfer betraut werden, die das Wirtschaftsprüferexamen oder vor dem beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband eingerichteten Prüfungsausschuß das Verbandsprüferexamen abgelegt haben und als Verbandsprüfer angestellt sind. Der Leiter der Prüfungsstelle kann im Ausnahmefall auch andere Prüfer beauftragen.“*****

Was das Personal betraf, so sah der Stellenplan vor 30 Jahren 68 Stellen vor. Für die damals 196 Mitgliedssparkassen waren 52 Prüfer in der Außenorganisation vorgesehen. Der personelle Aufbau der Prüfungsstelle erforderte verschiedene Maßnahmen. So sollten sich zum Beispiel die ehemaligen Sparkassenrevisoren der staatlichen Finanzrevision qualifizieren und die DDR-Sparkassen zusammen mit Kollegen aus westdeutschen Prüfungsstellen, die zur Unterstützung abgeordnet wurden, prüfen. Bereits Ende Mai hatten sich die Prüfungsstellenleiter dafür ausgesprochen, den Ostverband mit seinen damals nur 15 Prüfern personell zu unterstützen.****** So sollten der Einsatz fremder Wirtschaftsprüfer und Auswirkungen auf die Prüfungshoheit verhindert werden. Was den Aufbau eines eigenen Personalbestands betraf, so dachte der Sparkassenverband der DDR unter anderem daran, geeignete Akademiker ohne sparkassenspezifische Kenntnisse an Universitäten und Hochschulen zu werben und mit Unterstützung der westdeutschen Sparkassenorganisation auszubilden. An der Deutschen Sparkassenakademie in Bonn hatten sie das Verbandsprüferexamen abzulegen.******* Zur langfristigen Gewinnung von Nachwuchs galt es 1990, die Prüfertätigkeit populärer zu machen, durch die Verbreitung eines entsprechende Berufs- und Leistungsbildes. Dieses ging sogar auf die Persönlichkeit der ostdeutschen Verbandsprüfer ein.

Fortsetzung am 28.05.2020

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* Satzung des Sparkassenverbandes der DDR vom 20. März 1990, § 11, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 24, 25.04.1990, S. 235; Bestand: Historisches Archiv des OSV

** Vgl. Sparkassenverband der DDR/ Vorläufiger Verbandsrat, Beschluß Nr. 3/90 – Berufung des Leiters der Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes der DDR; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA 2/2017 Bd. 1

*** Vgl. Sparkassenverband der DDR/ Vorläufiger Verbandsrat: Beschluß Nr. 20/1990 – Prüfungsordnung für die Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes der DDR, in: Historisches Archiv des OSV, HA 2/2017 Bd. 1

**** Sparkassenverband der DDR – Leiter Prüfungsstelle an die Direktoren der Bezirksgeschäftsstellen betr. Prüfungsordnung für die Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes, 14.08.1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE – Pötzl 5/2004

***** Prüfungsordnung für die Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes der DDR, 01.08.1990, § 2, 5; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE – Pötzl 5/2004

****** Vgl. Niederschrift über die Verbandsvorsteherkonferenz des DSGV am 28./29.05.1990 in Berlin, S. 8; Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum des DSGV, Bonn

******* Vgl. Sparkassenverband der DDR: Konzept zur Schaffung der personellen Voraussetzungen für die Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes, 26.07.1990, S. 2; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HAE – Pötzl 3/2004

  • © Historisches Archiv des OSV

1 zu 1 und 2 zu 1

Blogserie, Teil 31

Vor genau 30 Jahren, am Freitag den 18. Mai 1990, unterzeichneten die Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratische Republik den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.* Er stellte einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Einheit Deutschlands dar. Die Vertragsparteien wollten zum 1. Juli ein einheitliches Währungsgebiet mit der Deutschen Mark als gemeinsamer Währung bilden. Vorgesehen war, dass die Bundesbank als alleinige Emissionsbank und unabhängig von Weisungen der Regierungen in West und Ost in eigener Verantwortung für die Regelung des Geldumlaufs und der Kreditversorgung zuständig wurde.

Um den Geldwert in beiden Teilen Deutschlands stabil zu halten, keine Inflationsimpulse entstehen zu lassen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der DDR zu stärken, waren im Vertrag bestimmte Umstellungsverhältnisse festgelegt.** Für Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten, Pachten sowie andere wiederkehrende Zahlungen galt das Verhältnis 1 zu 1. Alle anderen Forderungen und Verbindlichkeiten wurden grundsätzlich 2 zu 1 umgestellt. Guthaben von DDR-Bürgern bei Geldinstituten konnten jedoch auf Antrag bis zu bestimmten Betragsgrenzen bevorzugt gewechselt werden, wobei das Alter der Berechtigten maßgebend war. Für den Rest des Vermögens galt 2 zu 1. Hinsichtlich des gestaffelten Umtauschs war formuliert:

„Natürliche Personen mit Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik können bei einem für sie kontoführenden Geldinstitut beantragen, daß ihnen für ein Guthaben bis zum nachfolgend aufgeführten Betrag in Mark der Deutschen Demokratischen Republik für 1 Mark der Deutschen Demokratischen Republik 1 Deutsche Mark gutgeschrieben wird:
natürliche Personen, die nach dem 1. Juli 1976 geboren sind, bis zu 2 000 Mark,
natürliche Personen, die zwischen dem 2. Juli 1931 und dem 1. Juli 1976 geboren sind, bis zu 4 000 Mark,
natürliche Personen, die vor dem 2. Juli 1931 geboren sind, bis zu 6 000 Mark.
Der Antrag kann nur einmalig bei einem Geldinstitut gestellt werden.“***

Bemerkt werden soll, dass diese Festlegungen einen Kompromiss darstellten, den Bundesrepublik und DDR am 2. Mai gefunden hatten.**** Die Bundesbank hatte sich am 29. März eigentlich dafür ausgesprochen, lediglich einen Umtausch von 2.000 Mark 1 zu 1 zuzulassen. Die Bundesregierung bot jedoch im Rahmen der Verhandlungen am 23. April an, dass jeder DDR-Bürger einheitlich 4.000 Mark der DDR 1 zu 1 in Deutsche Mark umgestellt bekam, was der Ost-Berliner Regierung nicht ausreichte.***** Schließlich kam man überein. Auch die Bundesbank zeigte sich letztlich zufrieden, war doch ihre entscheidende Forderung nach uneingeschränkter Zuständigkeit für die Geldpolitik in beiden Teilen Deutschlands erfüllt. Auch ihr Vorschlag, Forderungen und Verbindlichkeiten mit Ausnahme des genannten Sockelbetrags von 2.000 Mark 2 zu 1 umzustellen, war weitgehend akzeptiert.******

Und wie stand es um die Betroffenen? Verbandspräsident Rainer Voigt berichtete auf einer Pressekonferenz am Montag den 21. Mai, dass die Sparkassenfilialen in den vorangegangenen Wochen von verängstigten und verunsicherten Kunden geradezu gestürmt worden seien.******* Man habe Angst gehabt, etwas zu verpassen und sich schnell ein Konto zulegen wollen. 8,6 Millionen Spargirokonten und 10,3 Millionen Buchsparkonten bestanden mittlerweile bei den Sparkassen. Dies entsprach fast 80 % aller Konten in der DDR. Tatsächlich musste jede zur Umstellung berechtigte Person, vom Baby bis zum Opa, ein eigenes Konto haben, um ab 11. Juni bis spätestens 6. Juli einen Antrag zu stellen und profitieren zu können. Im Hinblick auf die Vorbereitung der Währungsunion empfahl Voigt, sich unbedingt jetzt ein Konto zuzulegen, wenn man noch keins habe. Eigner mehrerer Konten sollten sich ein Hauptumstellungskonto mit 2.000, 4.000 beziehungsweise 6.000 Mark einrichten. Und er machte klar:

„Ein Umtausch von Bargeld erfolgt nicht! Alles Bargeld muß auf Konten eingezahlt werden, wenn es umgewertet werden soll. Darum sollten bereits jetzt alle Sparschweine ‚geschlachtet‘ und evtl. vorhandene Sparstrümpfe geleert und auf Konten eingezahlt werden.“********

Fortsetzung am 23.05.2020

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* Der Staatsvertrag wurde erst über einen Monat später, am 21. Juni 1990, von der Parlamenten in Ost und West beschlossen. Am Folgetag stimmte der Bundesrat zu.

** Vgl. Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland, Kapitel II, Artikel 10 (2), in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 34, 25.06.1990, S. 333; Bestand: Historisches Archiv des OSV

*** Ebd.: Anlage I Bestimmungen über die Währungsunion und über die Währungsumstellung Artikel 6 (1), S. 342

**** Vgl. Einigung über Details der Umstellung, in: Deutsche Sparkassenzeitung, Nr. 34, 05.05.1990, S. 1

***** Vgl. Bonn präsentiert Angebot für deutsche Währungsunion, in: Deutsche Sparkassenzeitung, Nr. 32, 27.04.1990, S. 1

****** Vgl. Bundesbank sieht Forderungen für Währungsunion erfüllt, in: Deutsche Sparkassenzeitung, Nr. 43, 08.06.1990, S. 1

******* Vgl. Für DDR-Sparkassen beginnt neue Ära, in: Deutsche Sparkassenzeitung, Nr. 40, 25.05.1990, S. 1

******** Pressegespräch am 21.5.90, S. 5; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-102 1/1999

  • Auf den letzten Seiten der letzten gedruckten Ausgabe des DDR-Gesetzblatts ist eine Vereinbarung zwischen Bundesrepublik und DDR zum Einigungsvertrag vom 18. September zu finden, die sich auch der Übernahme von Rechtsvorschriften widmete. Das DDR-Sparkassengesetz wurde indes gemäß § 9 Abs. 1 des Einigungsvertrags zu Landesrecht. : © Historisches Archiv des OSV

Neue rechtlichen Rahmenbedingungen

Blogserie, Teil 30

Im Frühjahr 1990 wurde der Sparkassenverband der DDR gegründet und seine Satzung beschlossen. Im Herbst 1990 gab es die DDR schon nicht mehr. Der Prozess zur Einheit Deutschlands verlief zügig. Aber nicht nur der Einigungsvertrag vom 31. August des Jahres, der zum 3. Oktober den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland regelte und fünf ostdeutsche Bundesländer entstehen ließ, die dann für das Sparkassenwesen zuständig waren, schuf neue rechtliche Rahmenbedingungen. Einige bedeutende Neuerungen, die im DDR-Gesetzblatt veröffentlicht wurden, seien genannt und jeweils einige interessante Informationen beigefügt:

Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 28, 25.05.1990, S. 255 ff.
→ Zum Beispiel die Förderung von Wirtschaft und Gewerbe zählte zu den Selbstverwaltungsaufgaben, welche die neue Kommunalverfassung vorsah. Zur Durchführung der Aufgaben konnten wirtschaftliche Unternehmen im Interesse des Gemeinwohls gehalten werden. Das Sparkassengesetz vom 29. Juni definierte demnach die Sparkassen als Einrichtungen der Landkreise, kreisfreien Städte und von ihnen gebildeter Zweckverbände als gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts. Als öffentlicher Auftrag wurde unter anderem die örtliche Kreditversorgung etwa unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes festgeschrieben.

Gesetz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1990 (Verfassungsgesetz) vom 21. Juni 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 34, 25.06.1990, S. 331 ff.
→ Mit dem Inkrafttreten des Staatsvertrags und der Übernahme bundesdeutscher Bankengesetze, zum Beispiel des KWG, zum 1. Juli sollte sich die Geschäftspolitik der DDR-Sparkassen grundlegend ändern. Sie hatten sich mit der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft der Konkurrenz zu stellen. Der Vertrag sah ein nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen operierendes Geschäftsbankensystem im Wettbewerb privater, genossenschaftlicher und öffentlich-rechtlicher Banken vor.

Verordnung über die Einführung des Bausparens in der DDR vom 21. Juni 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 37, 30.06.1990, S. 478 f.
→ Auf der Grundlage bundesdeutschen Rechts wurde zum 1. Juli das Bausparen in der DDR wiedereingeführt. Staatliche Fördermaßnahmen sollte es geben. Die LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse AG war als erstes Verbundunternehmen des Verbandes bereits am 11. Juni gegründet worden und konnte mit der Unterstützung der westdeutschen Landesbausparkassen pünktlich ihre Tätigkeit aufnehmen.

Gesetz über den Status und die Organisation der Sparkassen (Sparkassengesetz) vom 29. Juni 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 40, 12.07.1990, S. 567 ff.
→ Das Gesetz trat zum 1. Juli in Kraft und bildete den Rechtsrahmen, um unter marktwirtschaftlichen Bedingungen arbeiten zu können. Wichtige Grundsätze eines dezentralen kommunalen Sparkassenwesens wurden festgeschrieben. Die Haftung der DDR-Regierung für die bis dahin „volkseigenen“ Sparkassen wurde abgeschafft und die Haftung der Landkreise, kreisfreien Städte und kommunalen Zweckverbände für ihre Sparkassen festgelegt. Das Gebiet des Gewährträgers war automatisch das Geschäftsgebiet einer Sparkasse. Im Sinne des Regionalprinzips sollte sie sich nur dort betätigen und Geschäftsstellen betreiben.

Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik – Ländereinführungsetz – vom 22. Juli 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 51, 14.08.1990, S. 955 ff.
→ Zum 14. Oktober 1990 sollten in der DDR wieder die Länder eingeführt und die Bezirke von 1952 abgeschafft werden. Das Gesetz listete die Landkreise und kreisfreien Städte der „neuen“ Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Einigungsvertrag zog die Einführung der Länder auf den 3. Oktober vor. Der Verband brauchte einen neuen Namen. Auf einem außerordentlichen Verbandstag am 20. September wurde er in Sparkassen- und Giroverband für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umbenannt.

Anordnung über den Betrieb und die Geschäfte der Sparkassen (Sparkassenanordnung) vom 26. Juli 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 56, 30.08.1990, S. 1275 ff.
→ Erst zum 27. Juli, als fast einen Monat nach Inkrafttreten des Sparkassengesetzes zum 1. Juli, wurde die Sparkassenanordnung gültig, die auch eine Mustersatzung beinhaltete. Eine Anordnung über die Verfahrensregelung zur Überleitung auf die Gewährträger sah dann vor, dass die gewählten Vertretungen der Gewährträger ihren Sparkassen bis zum 1. Oktober eine entsprechende Satzung zu geben hatten.

Anordnung über die Verfahrensregelung zur Überleitung der Sparkassen an die Gewährträger vom 29. August 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Nr. 60, 18.09.1990, S. 1474 f.
→ Gemäß Sparkassengesetz bestellten die demokratisch gewählten Gemeindevertretungen den Vorsitzenden des Verwaltungsrats. So wurde der Vorsitzende der Verwaltung des Gewährträgers, etwa im Landkreis der Landrat, automatisch zum Verwaltungsratsvorsitzenden einer Kreissparkasse. Die Mitglieder der Verwaltungsrates aber waren zu wählen. Die Anordnung forderte die Wahl bis zum 1. November sowie die Bildung der Kreditausschüsse bis zum 15. November. Unverzüglich hatten die Sparkassen die zu besetzenden Stellen der Vorstände auszuschreiben, sowohl auf dem Gebiet der DDR als auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik.

Gesetz zum Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 (Verfassungsgesetz) vom 20. September 1990, veröffentlicht im Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 64, S. 1627 ff.
→ Gemäß Einigungsvertrag blieb das Sparkassengesetz vom 29. Juni weiter gültig und wurde zu Landesrecht. Für andere Normen sah eine Vereinbarung zum Vertrag vom 18. September jedoch vor, dass sie in den neuen Bundesländern bis zu einer anderweitigen landesrechtlichen Regelung, längstens jedoch bis zum 30. Juni 1991 galten. Dies betraf unter anderem die Satzung des Sparkassenverbandes der DDR vom 20. März 1990. Keinesfalls bedeutete die angesprochene Befristung aber die automatische Auflösung des Verbandes, der bereits mit der Schaffung einer neuen Satzung befasst war, auch um die kommunalen Träger einzubinden.

Fortsetzung am 18.05.2020

  • 1990. Sparkassenmitarbeiterinnen der Kreissparkasse Grimma weisen Helferinnen ein. Sie werden dringend gebraucht, um alle Anträge zügig zu bearbeiten und die Wartezeit der Kunden an den Schaltern zu verkürzen. 11.000 zusätzliche Mitarbeiter werden insgesamt für die Umstellungsarbeiten im Rahmen der Währungsunion in den Sparkassen der DDR benötigt. : © Sparkassenmuseum Muldental, Grimma

Warteschlangen bereits im Frühjahr – die Währungsunion wirft ihre Schatten voraus

Blogserie, Teil 29

Im Mai treffen sich die DDR-Koordinatoren der westdeutschen Regionalverbände zu einem Erfahrungsaustausch in Berlin. Am 15. ohne, am 16. mit Vertretern der Sparkassenorganisation der DDR. Vier wichtige Themen gibt es zu besprechen, wobei die „Sonderaktion Währungsumstellung“ im Mittelpunkt des gemeinsamen Interesses steht. Gerade in diesem Bereich wird übereinstimmend festgestellt, dass „außergewöhnliche Belastungen“ auf die DDR-Sparkassen zukommen werden und Unterstützung notwendig sein wird. Der Präsident des Sparkassenverbandes der DDR, Rainer Voigt, bestätigt diese Einschätzung und berichtet, dass durch die „Umstellungsarbeiten ein erheblicher Personalbedarf bei den DDR-Sparkassen“ vorhanden ist.*

Vierzehn Tage später kann Voigt den zusätzlichen Bedarf an Helfern bereits quantifizieren.** 11.000 wird er in den 196 Sparkassen der DDR brauchen, um die „unzumutbare“ Situation für die etwa 20.000 Beschäftigten abmildern und die „langen Warteschlangen an den Schaltern“ eindämmen zu können. Die Währungsumstellung wirke sich bereits jetzt „von der Arbeitsbelastung her katastrophal“ aus. Da jeder DDR-Bürger für den Umtausch von Mark der DDR in D-Mark ein eigenes Konto benötige, haben die Sparkassenmitarbeiter „in den letzten Tagen etwa zwei bis drei Millionen neue Konten eingerichtet.“***

Teams des Deutschen Sparkassenverlages, die sich im Mai erstmals auf Info-Tour durch die DDR befinden, bestätigen den Andrang. Sie erleben die Zeit der Vorbereitungsarbeiten auf die Währungsunion hautnah mit und berichten: „In und vor den Sparkassen, bei denen die Fensterbeklebung demonstriert wurde, stauten sich die Kunden, die Konten eröffnen wollen […] Der Arbeitsdruck, zum Teil auch der Mangel an den nötigen Vordrucken, lastete schwer auf den DDR-Sparkassenkolleginnen und -kollegen.“****

Ende Mai erklärt Voigt den Präsidenten der westdeutschen Regionalverbände, dass mit „vier Aktionswellen“ gerechnet werden müsse, wobei die erste bereits vollumfänglich laufe. Sie umfasse die Kontenanlegung, die bis zum 10. Juni abgeschlossen sein soll. Die zweite, zwischen dem 11. und 22. Juni, betreffe die Anträge auf Währungsumstellung sowie die Ausstellung von D-Mark-Wertschecks. Bis zum 6. Juli wiederum seien Einzahlungen von Ost-Mark-Beständen auf die Konten vorzunehmen und ab 7. Juli plane man die Abrechnung aller Konten mit Zinsgutschriften zum 30. Juni. Danach „werden die DDR-Bürger eine Neuaufteilung ihrer Konten (Girokonten und Sparkonten) bis 30. Juli vornehmen.“*****

Um all das bewältigen zu können, seien die Sparkassen der DDR nicht nur auf technische Hilfe, die bereits „gut angelaufen“ ist, sondern auch auf personelle angewiesen. Und so bittet Voigt bereits am 16. Mai auf dem Koordinatorentreffen um eben diese Unterstützung im Rahmen der Partnerschaften, die sich inzwischen erfolgreich aus dem regionalen Betreuungskonzept bzw. auch aus den Städtepartnerschaften entwickelt haben. Insbesondere erfahrene Kundenberater – kann Voigt Ende Mai auf der Sitzung der Präsidenten der westdeutschen Regionalverbände sein Anliegen konkretisieren –, welche ab Anfang Juli die neuen Sparkassenprodukte in der DDR anbieten könnten, würden gebraucht.

Damit folgt Voigt dem mit den DDR-Koordinatoren abgestimmten Ziel, „Konkurrenzeinflüsse abzuwehren“. Denn gerade, was die Kundenberatung angeht, ist man überzeugt, werden die Wettbewerber nicht fair agieren und die Überlastungsphase der Sparkassen mit den aufwendigen Arbeiten rund um die Währungsumstellung abwartend verbringen. Vielmehr geht die Sparkassenorganisation frühzeitig davon aus, dass Privatbanken mit dem Einzug der D-Mark sofort qualifiziertes Personal in die DDR schicken werden, um Kunden mit Angeboten an vielfältigen westdeutschen Finanzprodukten abzuwerben. Wie zutreffend diese Prognose ist, zeigen die Wochen und Monate nach dem 1. Juli 1990 eindrücklich …

Fortsetzung am 17.05.2020

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*Vermerk über die Zusammenarbeit mit den DDR-Sparkassen – Koordinatorentreffen am 15./16. Mai 1990 in Berlin, Bonn, 21. Mai 1990; Bestand: Historisches Archiv des OSV, HA-75/2004 | Weitere Themen sind: Stand des ERP- und Eigenkapitalhilfeprogramms, Entwicklung der technischen Unterstützung durch die Partnersparkassen sowie Kooperationsverträge zwischen den Partnersparkassen zu noch nicht durch die DDR-Sparkassen anbietbaren Sparkassenprodukten.

**Grundlage ist die qualitative und quantitative Ermittlung des Personalbedarfs durch alle Bezirksgeschäftsstellenleiter. Auf einer gemeinsamen Besprechung am 22. Mai erfolgt die finale Abstimmung. Quelle: Ebd.

***Niederschrift über die Verbandsvorsteherkonferenz am 28./29. Mai 1990 in Berlin; Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn | Das Treffen der Präsidenten der bundesdeutschen regionalen Sparkassen- und Giroverbände am 28./29. Mai 1990 wird zum Anlass genommen, um dem Präsidenten des Sparkassenverbandes der DDR feierlich den ersten von insgesamt 1.000 Personal-Computern zu übergeben, berichtet die Sparkassenzeitung am 1. Juni 1990. Bereits am 16. Mai wird die für die DDR-Sparkassen beschlossene PC-Grundausstattung vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband veranlasst, damit mindestens die Hälfte bis Mitte Juni installiert werden kann. Die Computer sollen zur Unterstützung der Währungsumstellung zur Verfügung stehen. Doch das klappt nicht. Denn die PCs sind nicht kompatibel zum DV-System der DDR und wären vorerst nur als „bessere Schreibmaschinen“ einsetzbar gewesen. Ihre Nutzung hätte eine Beschäftigung mit den Rechnern und eine Einführung in die Programme vorausgesetzt. Doch für Schulungen bleibt den Beschäftigten, die für Millionen Kunden die Umstellungsarbeiten leisten müssen, keine Zeit. Schließlich werden sogar Weiterbildungen aufgrund der hohen Arbeitsbelastung während der gesamten Umstellungsphase ausgesetzt. Vgl. dazu auch Ergänzung v. 27.10.2016 zum ZZI Rainer Voigt, 15.05.2012; Bestand: Historisches Archiv des OSV.   

****Mit dem [Sparkassen-S] auf Info-Tour bei DDR-Sparkassen. In: Sparkassen-Werbedienst, 1990, Nr. 7, S. 150f.

*****Niederschrift über die Verbandsvorsteherkonferenz am 28./29. Mai 1990 in Berlin; Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum Bonn.

  • Denkschrift des DSGV, die am 10. Mai 1990 beim Sparkassenverband der DDR einging; Bestand: Historisches Archiv des OSV

Gedanken zum kommunalen Sparkassenwesen

Blogserie, Teil 28

Am 6. Mai 1990 fanden die ersten Kommunalwahlen nach demokratischen Grundsätzen in der DDR statt. Im heutigen Gebiet des OSV wurden Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen und Kreistage gewählt. Eine neue Arbeitsgrundlage bekamen die Kommunalparlamente bald mit der Kommunalverfassung, welche das am 18. März erstmals demokratisch gewählte DDR-Parlament, die Volkskammer, beschloss. Die Wahlen und das Gesetz vom 17. Mai* markierten einen Neubeginn der kommunalen Selbstverwaltung in Ostdeutschland. So wurde auch die Voraussetzung für die Wiedereinführung der Gewährträgerhaftung der Kommunen für ihre Sparkassen geschaffen, die zum 1. Juli durch ein Sparkassengesetz festgelegt werden sollte. An der Erarbeitung des neuen Rechtsrahmens hatte der Sparkassenverband der DDR, unterstützt durch den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, maßgeblichen Anteil.**

In diesen Zusammenhang ist eine Denkschrift des DSGV einzuordnen, die den zuständigen DDR-Ministerien überreicht wurde.*** Das Werk thematisierte die Bedeutung einer starken kommunalen Selbstverwaltung und eines leistungsfähigen Sparkassenwesens in Ostdeutschland. Es begründete die Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Sparkassen, die im Rahmen der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Städte und Gemeinden für ihr Gebiet eine umfassende Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen gewährleisten sollten. Gerade sie stellten sicher, dass nicht nur die Bevölkerung in Wirtschaftszentren, sondern auch in ländlichen Regionen und strukturschwachen Gebieten ein Geldinstitut hatte. Für eine ausgewogene Wettbewerbsstruktur und zur Verhinderung einer, für Verbraucher und Wirtschaft nachteiligen, Dominanz von Banken brauchte es überall kommunale Sparkassen, die eben nicht auf absolute Gewinnmaximierung, sondern auch auf Gemeinnutz bedacht seien.

„Naturgemäß können auch nur einem entsprechendem Auftrag verpflichtete öffentliche Institute ein wettbewerbspolitisches Gegengewicht zu der Geschäftspolitik privater Geschäftsbanken und auch genossenschaftlicher Institute bilden. Es ist deshalb erforderlich, die Stellung der Sparkassen als aufgabenorientierte, öffentliche, kommunale Institute im Interesse der Verbraucher zu stärken. Die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in anderen westlichen Ländern zeigen, dass der Auftrag der Sicherstellung der finanziellen Infrastruktur der Kreditwirtschaft und eines intensiven Wettbewerbs am besten im Rahmen einer dezentralen Sparkassenorganisation mit kommunaler Bindung der Sparkassen und einer jeweils auf das Gebiet des Trägers beschränkten Geschäftstätigkeit der Sparkassen wahrgenommen werden kann. Dies ist die Voraussetzung für eine intensive Durchdringung des Geschäftsgebietes, eine gute Kenntnis des Marktes und eine ortsnahe Versorgung der Kunden mit Finanzdienstleistungen.“****

Aber nur starke kommunale Sparkassen konnten neben den anderen zwei Gruppen von Kreditinstituten bestehen und ihren öffentlichen Auftrag im Sinne der Gemeinwohlorientierung erfüllen. So wurden notwendige Maßnahmen formuliert, von denen hier drei angesprochen werden. 1. Der Aufbau einer ostdeutschen Sparkassenorganisation war wichtig, denn nur zusammen und als Gruppe konnte man der Konkurrenz überregionaler und internationaler Banken begegnen. Rasch musste eine Verbundsystem entstehen. Man brauchte etwa eine Zentralbank. 2. Kurzfristig war ein rentables Wirtschaften notwendig. Um die Einlagen der Kundschaft nach der Währungsunion marktgerecht verzinsen zu können, mussten logischerweise auch die Kredite marktgerecht verzinst werden. Gewinne waren notwendig, um die steigenden Kosten im Personal- und Sachbereich finanzieren zu können. Das Eigenkapital war knapp. Es bestand dringender Investitionsbedarf bei der Betriebs- und Geschäftsausstattung. 3. Als letzte und mittelfristig erforderliche Maßnahme wurde die Fusionierung angesprochen, da viele DDR-Sparkassen schlichtweg zu klein waren, um betriebswirtschaftlich effizient arbeiten zu können. In den folgenden Jahren sollte in Zusammenwirkung von Sparkassen und Kommunen daran gearbeitet werden, „die Institute zu leistungs- und wettbewerbsfähigen Einheiten zusammenzufassen“.***** Dabei war darauf zu achten, die Vorteile der Orts- und Kundennähe nicht aufzugeben.

Fortsetzung am 16.05.2020

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* Vgl. Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17.05.1990, in: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 28, 25.05.1990, S. 255 ff.; Bestand: Historisches Archiv des OSV

** Vgl. Geiger, Walter/ Günther, Hans Georg: Neugestaltung des ostdeutschen Sparkassenwesens 1990 bis 1995, Stuttgart, 1998, S. 124

*** Vgl. Niederschrift über die Verbandsvorsteherkonferenz des DSGV am 28./29.05.1990 in Berlin, S. 6; Bestand: Sparkassenhistorisches Dokumentationszentrum des DSGV, Bonn
Das Exemplar für den Sparkassenverband der DDR ging am 10. Mai 1990 per Fax ein und wurde dann an Sparkassen weitergeleitet.

**** Deutscher Sparkassen- und Giroverband: Denkschrift – Sicherung einer leistungsfähigen Sparkassenorganisation in der DDR, 10.05.1990, S. 7; Bestand: Historisches Archiv des OSV – Rundschreibenbestand

***** ebd., S. 14