• Eines von vielen Dokumenten aus unserem Aktenbestand, in dem die Überführung von Sparguthaben Geflüchteter in den Staatshaushalt der DDR ersichtlich ist. : © Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

„Republikflüchtlinge“ und ihr Vermögen

Als Studentin des Studiengangs „Archiv“ an der Fachhochschule Potsdam absolvierte ich mein Praxissemester beim Historischen Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes vom 1. August 2022 bis zum 16. Dezember 2022. Im Zuge der Erschließung von Akten, bin ich auf ein interessantes Kapitel der deutschen Geschichte gestoßen, welches ich hier gerne für Sie kurz zusammenfassen möchte.

Im Zeitraum nach der Gründung der DDR im Herbst 1949 bis zum Bau der Mauer im Sommer 1961 flüchteten rund 3 Millionen Menschen aus der DDR. Nach dem Bau der Mauer sank die Zahl zwar drastisch, aber trotzdem gelang auch in der Zeit bis zur Wiedervereinigung Menschen die Flucht. [1] In der DDR wurden Bürger, die über die Grenze nach Westdeutschland fliehen wollten bzw. geflohen waren, „Republikflüchtlinge“ genannt. [2] Scheiterte die Flucht, mussten die „Republikflüchtlinge“ mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen. [3] Sowohl bei einer erfolgreichen Flucht als auch einem erfolglosen Fluchtversuch verwirkten die Menschen ihren Anspruch auf ihr Vermögen und sonstiges Eigentum in der DDR.

Doch was geschah mit dem Vermögen der Geflüchteten? Die Regierung der DDR ließ sämtliche Vermögenswerte der Flüchtlinge beschlagnahmen. Das waren zum Beispiel Grundstücke, Unternehmen, aber auch Bankguthaben. Diese Beschlagnahmung kam einer entschädigungslosen Enteignung gleich. Später wurde das Vermögen unter die „treuhänderische Verwaltung“ des Staates [4], oder auch staatliche Verwaltung genannt [5], gestellt. Das heißt, der Staat hat die Vermögenswerte im Namen der Eigentümer verwaltet. 1968 wurde die Verwalterverordnung erlassen, aufgrund dessen der Staat seit 1969 durch eine rechtsgeschäftliche Veräußerung auf das Vermögen zugegriffen hat. [6] Doch nicht nur Grundstücke und Bankguthaben wurden beschlagnahmt, auch Bankschließfächer, die „Republikflüchtlingen“ gehörten, wurden 1962 im Rahmen der „Aktion Licht“ geöffnet und die Wertgegenstände und Unterlagen entnommen. Die Wertgegenstände wurden über den staatlichen Kunsthandel der DDR verkauft und ihre Herkunft von der Stasi akribisch verschleiert, weshalb es schwierig ist, ihre Provenienz zu identifizieren. [7]

Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ (Vermögensgesetz) erlassen. Dieses Gesetz regelt die Rückübertragung der Vermögenswerte bzw. die Entschädigung der Eigentümer. Zur Durchführung dieses Gesetzes wurden Landesbehörden eingerichtet, bei denen man einen Antrag stellen konnte. [8] Anträge auf Rückübertragung oder Entschädigung für Vermögensverluste nach dem Vermögensgesetz konnten grundsätzlich bis zum 31. Dezember 1992, für bewegliches Vermögen bis zum 30. Juni 1993 gestellt werden. [9] Da die Fristen bereits abgelaufen sind, ist eine Geltendmachung eines Anspruchs zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Weiterhin führt das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) jedoch Aufgebotsverfahren durch, die der Ermittlung unbekannter oder unauffindbarer Eigentümer von Vermögenswerten dienen. [10]

Elena Williams, Praktikantin beim Historischen Archiv des OSV

Quellen:

[1] Halbrock, Christian; Jabs, Cornelia; Kowalczuk, Ilko-Sascha: Republikflucht, Bekämpfung der, in: Das Bundesarchiv (Hrsg.): MfS-Lexikon, online verfügbar: URL: https://www.stasi-unterlagen-archiv.de/mfs-lexikon/detail/republikflucht-bekaempfung-der/ [letzter Zugriff am 14.12.2022].

[2] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache: Republikflüchtling, der, online verfügbar: URL: https://www.dwds.de/wb/Republikflüchtling [letzter Zugriff am 15.12.2022].

[3] Bundesstiftung Aufarbeitung: Informationen zur Geschichte von Flucht, Fluchthilfe und Freikauf, online verfügbar: URL: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/flucht-fluchthilfe-und-freikauf/geschichte#:~:text=Mit%20dem%20verschärften%20Passgesetz%20von,DDR%20werden%20verfolgt%20und%20bestraft. [letzter Zugriff am 14.12.2022].

[4] Bundesverfassungsgericht: Urteil des Ersten Senats vom 23. November 1999, online verfügbar: URL: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1999/11/fs19991123_1bvf000194.html [letzter Zugriff am 14.12.2022].

[5] Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen: Staatliche Verwaltung, online verfügbar: URL: https://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/EigentuemersucheundAufgebotsverfahren/StaatlicheVerwaltung/start.html [letzter Zugriff am 15.12.2022].

[6] Bundesverfassungsgericht: Urteil des Ersten Senats vom 23. November 1999, online verfügbar: URL: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1999/11/fs19991123_1bvf000194.html [letzter Zugriff am 14.12.2022].

[7] Habermalz, Christiane: Wissenschaftler untersuchen DDR-Kunstraubsystem, in: Deutschlandfunk Kultur, 07.05.2019, online verfügbar: URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/forschungsprojekt-zur-aktion-licht-wissenschaftler-100.html [letzter Zugriff am 14.12.2022].

[8] Bundesministeriums der Justiz: Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, online verfügbar: URL: https://www.gesetze-im-internet.de/vermg/BJNR211590990.html#BJNR211590990BJNG002306301 [letzter Zugriff am 14.12.2022].

[9] Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen: Fristen, online verfügbar: URL: https://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/Vermoegensrecht/Fristen/inhalt.html [letzter Zugriff am 15.12.2022].

[10] Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen: Eigentümersuche und Aufgebotsverfahren, online verfügbar: URL: https://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/EigentuemersucheundAufgebotsverfahren/start.html [letzter Zugriff am 15.12.2022].

  • Werbung der Sparkassen der DDR von 1954 : © Historisches Archiv des OSV

Weihnachtswunsch

Das Archivteam des Ostdeutschen Sparkassenverbandes wünscht Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, trotz aller widriger Umstände, ein schönes und geruhsames Weihnachtsfest im Kreise Ihrer Liebsten.

Nach einem gelungenen Rutsch, in ein hoffentlich besseres und vor allem friedlicheres 2023, freuen wir uns, Sie an dieser Stelle wieder mit neuen und alten Sparkassengeschichten begrüßen zu dürfen.

Britta Weschke, Thomas Einert & Claudia Wöhnl

  • Anlage zum Jahresabschluss 1989 der Kreissparkasse Röbel : © Historisches Archiv des OSV

Das Personal der kleinsten DDR-Sparkasse

Schauen Sie einmal genau hin. Was fällt ihnen auf? Nein, gemeint ist nicht die Differenz zwischen Stellenplan und tatsächlicher Besetzung bei der Kreissparkasse Röbel im Jahr 1989. Bei der bilanzmäßig kleinsten Sparkasse der DDR arbeiteten Ende dieses Jahres 34 Personen. Davon waren 31 weiblich. Dies entsprach 91 Prozent der Beschäftigten. Damit war die Kreissparkasse an der Müritz aber kein Einzelfall. Einen sehr hohen Frauenanteil gab es überall. Dass die DDR-Sparkassen, bis auf die Direktorenetage, ein praktisch reiner Frauenbetrieb wurden, hatte verschiedene Ursachen. So erhielten die Geldinstitute fast ausschließlich Schulabgängerinnen als Auszubildende zugeteilt. Die Entlohnung im Dienstleistungsbereich fiel im Vergleich zur Produktion schlechter aus. So war die Tätigkeit bei der Sparkasse für Männer unattraktiver. Dass es die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung gab, war hingegen für Mütter ein Vorteil. Insbesondere in Großstädten wurde diese genutzt. Die Teilzeit wurde aber planwirtschaftlich beschränkt. Die Sparkassen konnten ihre VbE (Vollbeschäftigteneinheiten) nur im Rahmen der begrenzten Kopfzahl mit Teilzeitbeschäftigten besetzen.

  • Gliederung der DDR nach der neuen Verwaltungsstruktur 1952 (Ausschnitt Karte des VEB Deutscher Zentralverlag Berlin; Bestand: Historisches Archiv des OSV)

Die Verwaltungsreform 1952

Vor 70 Jahren erließ das SED-Regime das „Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der Deutschen Demokratischen Republik“. Dieses diente dazu, die föderative Stuktur abzuschaffen und einen zentralistischen Einheitsstaat zu erschaffen. „Das noch vom kaiserlichen Deutschland stammende System der administrativen Gliederung in Länder mit eigenen Landesregierungen sowie in große Kreise gewährleistet nicht die Lösung der neuen Aufgaben unseres Staates.“ Die in der Verfassung vom 7. Oktober 1949 verankerten Länder wurden faktisch, aber nicht formal abgeschafft. Die Länder mussten in ihren Gebieten eine neue Kreiseinteilung vornehmen und mehrere Kreise in einem Bezirk zusammenfassen. In den drei brandenburgischen Bezirken vermehrte sich die Zahl der Kreise zum Beispiel von 23 auf 41. Gesetzlich regelte die DDR-Regierung etwa den Übergang der Aufgaben der Landesregierungen auf die Organe der neuen Bezirke. Die Ministerpräsidenten hatten die Auflösung der Einrichtungen der Länder und die Schaffung der Bezirksbehörden zu gewährleisten.

Insgesamt entstanden im Gebiet der fünf Länder 14 Bezirke mit zusammen 217 Kreisen. Grenzverschiebungen gab es, wie Sie auf der abgebildeten Karte erkennen können. So gehörte beispielsweise der Westen des Bezirks Cottbus vormals zu Sachsen-Anhalt und der Süden zu Sachsen. Der Bezirk Cottbus zählte zu den wenigen Beispielen einer Bezirksgründung nach wirtschaftlichen Aspekten. Er war das Entwicklungszentrum der Kohle- und Energieindustrie. Mehr zum Thema können Sie hier lesen. Die Neugliederung hatte große Auswirkungen auf die Sparkassenorganisation in der DDR. Das Finanzministerium ordnete am 14. Oktober 1952 die Einrichtung von Kreissparkassen in den neuen Kreisen an. Es bestanden dann sage und schreibe 200 Sparkassen, darunter 175 Kreis-, 19 Stadt- und Kreis- sowie 6 Stadtsparkassen. Ihre Länderverbände und deren Zentralstelle wurden auf Geheiß des Ministerrats zum 30. November 1952 aufgelöst und die Aufgaben dem Finanzministerium übertragen, welchem Hauptreferate in den Bezirken untergeordnet waren.

  • Werbeblatt der Fa. Ascota von 1963 : © Historisches Archiv des OSV

  • Für ihr Forschungsprojekt konnten wir Frau Schlombs zahlreiche Akten, Broschüren und Werbematerialien aus unserem Archiv zur Verfügung stellen. : © Historisches Archiv des OSV

Besuch aus Rochester (New York)

Rochester im Staat New York liegt ca. 6400 km von unserem Archiv in Potsdam entfernt. Damit hat unsere derzeitige Archivnutzerin, Frau Corinna Schlombs, die weiteste Anreise aller unserer bisherigen Besucher:innen.

Frau Schlombs ist Professorin für Technikgeschichte am Rochester Institute of Technology und untersucht in ihrem neuen Forschungsprojekt die Geschichte der Computerisierung und Dateneingabe im Bankwesen. Neben den Archiven der westdeutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist für sie auch die Entwicklung in diesem Bereich bei den Sparkassen der DDR von großem Interesse, was sie zwangsläufig in unser Archiv führte.

„Bei meinem Forschungsprojekt geht es darum, das gängige Narrativ des technischen Fortschritts kritisch zu hinterfragen durch die Sichtbarmachung der Arbeit in der Dateneingabe. Vertreter der Computerautomation haben oftmals versprochen, dass Computer die Datenverarbeitung in Lichtgeschwindigkeit übernehmen würden. Das war jedoch erst möglich, nachdem die Daten in oftmals mühevoller Handarbeit in den Computer eingegeben worden waren.“

Für ihre Untersuchung haben wir Frau Schlombs zahlreiche Akten aus den Beständen des Ministeriums der Finanzen und der Staatsbank der DDR zur Verfügung gestellt, da die Sparkassen damals diesen Institutionen unterstellt waren. Ergänzend dazu erhielt sie Einblick in die tatsächliche Umsetzung der Vorgaben der Finanzorgane bei der ehemaligen Kreissparkasse Meißen, deren Depositalbestand wir verwahren.

Zu ihren ersten Erkenntnissen zählt, dass man für die Datenspeicherung bei den DDR-Sparkassen auf Lochstreifen und nicht auf Lochkarten setzte. Diese waren leichter beim Transport und konnten mehr Daten speichern.  

Ganze neun arbeitsreiche Tage dauerte ihr Forschungsaufenthalt bei uns und ein weiterer Besuch ist nicht ausgeschlossen. Wir wünschen Frau Schlombs weiterhin viel Erfolg sowie erkenntnisreiche Archivaufenthalte und freuen uns bereits jetzt auf das Erscheinen ihrer Publikation.

  • Dieser Briefkopf zeigt gleich zwei Umbenennungen des Verbandes. : © Historisches Archiv des OSV

Ein Verband und viele Namen

Bereits 1892 wurde im Gebiet des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt ein Sparkassenverband gegründet. Er war für die preußische Provinz Sachsen, das Herzogtum Anhalt sowie die thüringischen Herzog- und Fürstentümer zuständig. Gegründet in Halle (Saale), hatte er dann in Magdeburg seinen Sitz. 1922 wurde er mit dem seit 1915 bestehenden Sparkassen-Giroverband Sachsen-Thüringen-Anhalt vereinigt. Der neue Sparkassen- und Giroverband für Provinz Sachsen, Thüringen und Anhalt erhielt wiederum 1938 den Namen Mitteldeutscher Sparkassen- und Giroverband. 1944 löste das NS-Regime die Provinz Sachsen auf. Aus dem dortigen Regierungsbezirk Merseburg wurde die Provinz Halle-Merseburg und aus dem Regierungsbezirk Magdeburg die Provinz Mageburg.

1945 befahl die Sowjetische Militäradministration in Deutschland, die Provinzen Halle-Merseburg und Magdeburg sowie das bisherige Land Anhalt zur Provinz Sachsen zu vereinigen. Halle wurde Amtssitz. Gleichzeitig entstand das Land Thüringen, dessen Verwaltungssitz Weimar war. Der Verband war von beiden Orten aus tätig. 1946 wies die Besatzungsmacht an, dass der Mitteldeutsche Sparkassen- und Giroverband seine Arbeit auf die Provinz Sachsen zu beschränken hatte. Darum lautete die Bezeichnung fortan Sparkassenverband der Provinz Sachsen. Im Folgejahr gab es wieder eine Umbenennung, weil das Land Sachsen-Anhalt entstand. Wie der gleichnamige Verband existierte es nur bis 1952. Damals schaffte das SED-Regime die Länderstruktur in der DDR ab. Der Sparkassenverband Sachsen-Anhalt wurde aufgelöst. Erst seit 1990 haben die Sparkassen in Sachsen-Anhalt wieder einen Sparkassenverband.